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Die tatz.

Das deutsche Diplomacy-Magazin.

Stratedings
The Art of Dip - Asiatische Kampfkunst

Spieltechnische Beispiele zu Strategie, Taktik und Diplomatie im Vergleich zu asiatischen Kampfkünsten.

Die Komplexität der asiatischen Kampfkünste wird übergreifend in die äußere harte Schule und die innere, weiche Schule unterteilt. Diese chinesische Klassifizierung ist etwas irreführend, da sie eine starre Grenze zwischen beiden suggeriert.
Nach der chinesischen Vorstellung enthält aber alles auch sein Gegenteil und bewegt sich darauf zu, wie im Yin und Yang.
In allen harten Stilrichtungen existieren weiche Techniken und sogar in der weichesten aller Kampfkünste, dem Tai-Chi-Ch'uan, gibt es einige harte Techniken.

Die harten Künste basieren auf einem Krafteinfluss, dem Kraft entgegen gesetzt wird. Im waffenlosen Kampf wird Kraft eingesetzt, um seinen Körper auf den Gegner zuzubewegen und mit Schlägen, Tritten etc anzugreifen. Die Gegenbewegung besteht zumeist aus einem Block, der die gegnerische Kraft abstoppt oder ableitet, unmittelbar gefolgt von Konteraktionen.
Die meister dieser Schule glauben, dass Techniken, die Kraft in gerader Linie einsetzen am wirksamsten sind.

Bei den weichen Künsten dagegen liegt das Grundprinzip nicht im Widerstand gegen eingesetzte Kraft, sondern deren Ausnützung zum Nachteil des Gegners. Ein weicher Stil weicht einen Angriff also auf oder verstärkt ihn ggf. sogar.

Beim Diplomacy gibt es harte und weiche Techniken sowohl auf taktischer wie auch auf kommunikativer bzw. diplomatischer Ebene.

Taktisches Beispiel: Eröffnung am Schwarzen Meer

Am Beginn vieler Partien kommt es zum Gerangel zwischen Russland und Osmanien um das Schwarze Meer.

Weder Russland noch Osmanien kann dem Gegner BLA leichten Herzens überlassen, da von hier aus eine enorme Kraft gegen den jeweiligen anderen aufgebaut werden kann.
Die harte Verteidigung schützt BLA im ersten Zug effektiv. Die 1:1 Situation der beiden Flotten lässt BLA frei bleiben.
Der osmanische Krafteinsatz durch F Ank-BLA birgt maximale Sicherheit und kann ggf. einen russischen Fehler nutzen.

Die "Türkischer-Igel-Eröffnung" reagiert hingegen auf eine weiche Art auf den russischen Angriff. Durch Con-Bul, Ank-Con und Smy-Arm wird dir russische Flotte nach BLA gelassen.
Dieser Vorstoß wird jedoch für einen Konter genutzt, indem Arm nun das wahrscheinlich freie Sev bedroht. Durch Arm-Ank und Con-Ank besteht die Option für einen Flottenaufbau im Herbst in Ank. Darüber hinaus läuft Russland Gefahr Rum dieses Jahr nicht besetzten zu können.
Russland steht also in BLA aber ist trotzdem unter Druck geraten. Kompliziert macht das ganze dann erst die diplomatische Seite ;)

Taktisch/diplomatisches Beispiel: Österreich und Italien

Gesetz den Fall, dass Italien von Beginn an diplomatisch sehr aktiv ist und Kontakt zu allen Mitspielern pflegt. Seine Vorschläge an Österreich beinhalten ein festes Bündnis (was bei allen Argumenten nur einleuchtet), jedoch darauf aufbauend Vorschläge die manipulativ Österreich in einen sehr frühen Krieg mit Russland bringen würden (Bud-Rum). Mit seinem Angebot einer Lepanto-Eröffnung bekräftigt er seinen Kooperationswillen und behält sich damit seine Bündnisentscheidung im Mittelmeer bis 1902 offen.
Diese Aktion würde Österreich diplomatisch von beginn an fixieren. Italien wird hierdurch sehr flexibel, da Österreich sich auf ihn verlassen muss und seine Einheiten gegen Russland bindet.
Italien würde also in eine diplomatische Machtstellung gelangen. Österreich wird demnach trotz aller Bündnisversprechungen diplomatisch "angegriffen" oder schlicht ein wenig übers Ohr gehauen. Er könnte hart reagieren und Bündnisse mit Frankreich und Osmanien gegen Italien forcieren. Die Gefahr würde damit direkt angegangen werden.
Das Problem bei Diplomacy ist jedoch, dass die Gefahr meist nicht nur von einer Seite droht bzw. nicht immer akut ist.
Ein Frieden mit Italien ist also durchaus von Vorteil. Die weiche, diplomatische Reaktion könnte demnach so aussehen, dass Österreich den Frieden gegenüber Italien als oberstes Ziel bestätigt, jedoch den Vorteil einer Standarderöffnung betont. Verbal wird hier der Angriff aufgenommen, indem der brauchbare Verhandlungsinhalt (das Bündnis) verstärkt wird, jedoch die Folgeaktionen einen neutralen Zug beinhaltet. Die Standarderöffnung (Einnahme von Ser & Gre) setzt keine taktischen Kräfte in Richtung Italien in Bewegung, was Italiens Argumentation aufweicht (er hat dagegen keine wirklichen Gegenargumente). Gleichzeitig kann Österreich den Lepanto-Vorschlag aufgreifen und verstärken, denn durch einen Angriff auf Osmanien muss sich Italien im zweiten Jahr diplomatisch festlegen, während Österreich sich mit 2 Aufbauten konsolidiert und diplomatisch alle Optionen behält.
Mit Österreichs weicher Reaktion wird Italiens Kraft abgeleitet, während die eigene Position gestärkt wird.
Soweit zum situativen Rahmen.
Um Österreichs weiteres Vorgehen effektiv zu gestalten sind A die eigenen Fähigkeiten und B die Kenntnis der Fähigkeiten der Mitspieler wichtig. Als halbwegs gestandener Diplomat ist sich Österreich der Wichtigkeit diplomatischer Flexibilität bzw. Optionen bewusst. Ein Zug ins russisch beanspruchte Rum verbaut die Option einer russisch-österreichischen Kooperation. Außerdem sieht ein guter Taktiker sofort, dass selbst ein erfolgreicher Angriff auf Rum keinen taktischen Vorteil bringt, da eine Armee Rum im Herbst isoliert steht und Osmanien die Möglichkeit erhält Ser und Bul zu erobern. Aufgrund der eigenen Fertigkeiten kann der italienische Vorschlag somit eingeschätzt werden.
Darüber hinaus gibt der Vorschlag jedoch auch Informationen über den Spieler Italiens. Erobert Osmanien Ser&Bul kann er 2 Flotten bauen. Der italienische Lepanto ist somit fast unmöglich. Das heißt Italien ist entweder taktisch ehr mittelmäßig oder er plant keinen Lepanto. Die Antwort bietet dann der Frühjahrszug 1902.



G esetzt den Fall Österreich eröffnet nach harten Verhandlungen Vie-Gal, Tri-Alb, Bud-Ser: Durch einen Selfbounce Vie-Tri & Ser-Tri kann Italien im Herbst 1901 die Stabmöglichkeit genommen werden, denn ein italienischer Angriff bringt ihm nun keinen Vorteil mehr. Man schafft also eine Situation, in der der Gegner kein Interesse an einem Angriff hat. Dies ist eine weiche Kampftechnik, da der österreichische Block Italien motiviert keine Kraft aufzuwenden. Hierdurch kann der Frieden weiterhin gewahrt werden.

Dies ist aus strategischen Gesichtspunkten durchaus wichtig. Bei einer Spielplanung bis hin zu 18 VZ ist Osmanien für Österreich ein denkbar ungünstiger Partner. Sobald Osmanien über 5 VZ wächst wird es speziell für Österreich mangels Flotten unangreifbar. Außerdem wird es Österreich von nun an wie ein Damokles-Schwert begleiten. Österreich muss Einheiten gegen einen osmanischen Stab am Balkan stationieren, während das eigene Wachstum die Front enorm verlängert (bei bereits gebundenen Einheiten). Österreich verliert damit den Schwerpunkt, wo speziell in den weichen Nahkampftechniken Asiens der Fokus liegt. Wer aus dem Gleichgewicht kommt oder gebracht wird, ist leicht angreifbar.
Im Prinzip ergibt sich hieraus ein strategisches Teilziel bzw. 4 VZs auf dem Weg zum Sieg. Durch den Frieden mit Italien ist die Basis für das erste strategische Teilziel den Angriff auf Osmanien gesetzt.

Italien zieht im Frühjahr 1902 nach EAST und zieht seine frisch gebaute Flotte Nap nach ION - der Lepanto-Convoy Tun-ION-EAST-Syr/Smy ist aufgebaut, während Österreich mit F Gre & A Ser bereits Druck auf Bul ausüben kann (was aber wohl nur geringe Aufmerksamkeit Osmaniens bindet, da dieser angegriffen wurde).

Durch ein freies Gal im Herbst 1901 wurde eine solide Kooperationsbasis mit Russland gelegt, welches einen Angriff auf Osmanien nicht abgeneigt ist, da die beiden bereits im Krieg liegen. Österreich stärkt somit weiter seine Position, während Italien durch die lange Lepanto-Front aus dem Gleichgewicht gerät. Russland spielt eh vom ersten Zug an mit zwei Schwerpunkten, die beide Aufmerksamkeit bedürfen.
Osmaniens Reaktion kann eines der Gleichgewichte (I oder R) beeinflussen, je nachdem wie stark er eine der Seiten verteidigt. Die strategische Option, die nächsten VZ-Gewinne in Italien oder Russland vorzubereiten ergeben sich somit während des Osmanienfeldzuges. Es werden das osmanische Abwehrverhalten und im Falle Russlands ggf. ein Nord/West-Konflikt sein , welche die Kräfte der Nachbarn lenken.
Dabei ist die Wahl der Option Russland oder Italien als zweites strategisches Ziel anzuvisieren kein Zufallsprodukt, sondern kann diplomatisch beeinflusst werden, indem der österreichische Kontakt zu Deutschland oder England intensiviert bzw. der Kontakt zu Osmanien nach dem Angriff auf Bul gehalten wird. Österreich ist danach ja keine direkte Bedrohung mehr.

Eine erfolgreiche Strategie geht einher mit diplomatischen Einfluss. Ein starker Diplomat hält den Kontakt zu allen Mitspielern, kann diese emotional einschätzen und spürt ebenso die Emotionen zwischen den einzelnen Mitspielern.
Ein starker Stratege legt mit seiner Strategie die Grundlage für den diplomatischen Kontakt, bezieht die Eindrücke jedoch wechselwirkend auch in seine Strategie ein. Hierzu gehört auch taktische Informationen, die die Abwehr bzw. Angriffstärke der Gegner über Positionen und Fähigkeiten berechenbarer machen.
Der starke Taktiker setzt die Erkenntnisse aus Diplomatie und Strategie auf dem Brett um.


Björn Oberscheven