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Wiedersehen mit dem geographischen Schicksal |
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von Ole R. Tuft (olertu@hotmail.com)
ÜBERSETZT VON TIMO MÜLLER
In seinem hervorragenden Artikel "Die Geographie ist das Schicksal" (deutsch), der im Fall Retreat Issue 1999 des Pouch
veröffentlicht wurde, hat Paul D. Windsor den Begriff "Furcht-Faktor" (Fear
Factor) erfunden. Für eine Erklärung dieses Begriffs verweise ich auf seinen Artikel
(und ich empfehle dringend, ihn vor der Lektüre meines Artikels zu lesen). Indem er den
Furcht-Faktor mit Tempi-Zählungen und anderen geographischen Überlegungen kombiniert,
kommt er zu mehreren Schlußfolgerungen, von denen einige gewohnten Diplomacy-Weisheiten
widersprechen.
Als er erklärt, wie er zu seiner Berechnung des Furcht-Faktors gekommen ist, sagt er:
"Ich beschränkte mich auf Heimat-VZ, um die Analyse einigermaßen einfach zu halten.
Ich denke nicht, daß die Einbeziehung "natürlicher" oder anderer VZ in den
Furcht-Faktor die Ergebnisse deutlich verändern würde." Intuitiv würde man dem
vielleicht zustimmen. Schließlich wird, falls der schnellste Weg zum Sieg für eine Macht
durch die Heimatzentren einer anderen Macht führt, diese Tatsache nicht durch die
Einbeziehung anderer VZ verändert. Aber gleichzeitig hat man das nagende Gefühl, daß
dabei irgend etwas nicht stimmt. Wie ist es möglich, daß die Furcht Österreichs vor
Deutschland größer sein soll als seine Furcht vor der Türkei? Wie kann Deutschlands
Furcht vor Italien größer sein als die vor England? Unsere Erfahrung widerspricht
einigen dieser Ergebnisse stark. Die Furcht-Faktoren in "Die Geographie ist das
Schicksal" (die Reihe für die erzeugte Furcht wurde von mir hinzugefügt. Englands
Furcht vor Rußland und Österreichs Furcht vor der Türkei wurde in Übereinstimmung mit
Windsors eigenem "schnellsten Weg zum Sieg" korrigiert):
Macht | Furcht-Faktor von... | Eigene Furcht | ||||||
Österreich | England | Frankreich | Deutschl. | Italien | Rußland | Türkei | ||
Österreich | - | 0 | 3 | 11 | 13 | 11 | 8 | 46 |
England | 0 | - | 10 | 6 | 0 | 6 | 0 | 22 |
Frankreich | 3 | 9 | - | 11 | 4 | 0 | 2 | 29 |
Deutschl. | 10 | 7 | 10 | - | 10 | 11 | 3 | 51 |
Italien | 12 | 0 | 10 | 7 | - | 0 | 7 | 36 |
Rußland | 11 | 5 | 0 | 10 | 0 | - | 11 | 37 |
Türkei | 8 | 0 | 0 | 0 | 6 | 11 | - | 26 |
Erzeugte Furcht | 45 | 21 | 33 | 45 | 33 | 39 | 31 | - |
Bewegt sich A Bud nur aus dem Grund eher nach Serbien als nach München, weil wir nicht
optimal spielen? Natürlich nicht, wir schicken sie nach Serbien, weil Serbien leer ist
und mit einem Fingerschnalzen erobert werden kann. Von München kann man das nicht sagen,
und da sind wir auch schon mittendrin in unserem Thema: die Furcht-Faktoren, die von
Windsor berechnet werden, sind "zeitlos", weil sie davon ausgehen, daß jedes
Zentrum gleich einfach/schwierig besetzt werden kann. Im Frühjahr 1901 ist das kaum der
Fall.
Wenn man annimmt, daß es rational ist (und nicht nur "gewohnte Weisheit"),
zuerst seine "natürlichen" VZ zu besetzen, müssen wir die Auswirkung dieser
Tatsache untersuchen, um ein genaueres Bild davon, was sich auf der Karte tut, zu
bekommen, weil es wirklich ein Unterschied ist. Während ein Zug wie A Bud-Ser den Abstand
zwischen österreichischen und deutschen Heimatzentren nicht ändert, verändert es aber
den Abstand zwischen österreichischen Einheiten und türkischen Heimatzentren (und, wenn
man die natürlichen VZ einschließt, den Abstand zwischen österreichischen und
türkischen (und russischen) Zentren (Serbien und Bulgarien)), und damit ändert sich
nicht nur der schnellste Weg zum Sieg, sondern auch der Furcht-Faktor.
IN DIE ZUKUNFT SPÄHEN (1901)
Wenn wir "natürliche" und andere VZ in der Analyse berücksichtigen müssen,
müssen wir versuchen, eine Karte zu entwerfen, die darstellt, wie es aussehen könnte,
wenn die verschiedenen Mächte ihre natürlichen VZ besetzt (oder das versucht) haben (man
könnte es sich als kleine Sammlung möglicher Situationen nach den Aufbauten 1901
vorstellen). Man muß viele Vereinfachungen und Annahmen verwenden, einige Zahlen aus
dünner Luft herausnehmen, während man andere aus anderen Quellen sammelt ("A
Statistical Look at 1901" von The Scribe, Spring Issue 1998 des Pouch).
Man geht davon aus, daß...
- Österreich Serbien und Griechenland genommen hat.
- England Norwegen hat (in 50 Prozent der Fälle mit einer Armee) und mit einer Flotte in
der Nordsee steht.
- Frankreich Spanien und Portugal eingenommen hat (wobei die Möglichkeit einer Flotte an
der spanischen Südküste ignoriert wird).
- Deutschland Dänemark und Holland eingenommen hat (ohne Berücksichtigung der
Unterscheidung Flotte/Armee).
- Italien Tunis genommen hat (50 Prozent Wahrscheinlichkeit für eine Flotte, ebensoviel
für eine Armee, bei einer Armee zu 50 Prozent mit einer Flotte im Ionischen Meer).
- Rußland eine 70 Prozent-Chance auf Schweden hat (wobei bei den restlichen 30 Prozent
eine Flotte in Bot steht) sowie eine 75 Prozent-Chance auf Rumänien (zu 38 Prozent mit
einer Armee, zu 37 Prozent mit einer Flotte). In 25 Prozent der Fälle bleibt Rumänien
leer.
- die Türkei Bulgarien genommen hat.
- Belgien in 25 Prozent der Fälle leer ist, während die restlichen 75 Prozent in drei
gleiche Teile für England, Frankreich und Deutschland gespalten werden. Deutschland und
Frankreich besetzen es mit einer Armee, England zu je 12,5 Prozent mit einer Armee oder
Flotte.
Von den zahllosen Möglichkeiten, die im eben Aufgeführten nicht enthalten sind, sind die
auffälligsten Lücken sehr wichtige und umkämpfte Provinzen wie Galizien, das Schwarze
Meer, der Kanal usw. Man kann sicher nicht versuchen, das Jahr 1901 ohne sie mehr oder
weniger genau darzustellen. Was hier aber versucht wird, ist eine Analyse der
Auswirkungen, wenn Mächte ihre natürlichen VZ zu besetzen versuchen, und nicht der
vielfältigen Wege, mit denen sie sich gegenseitig an den Kragen gehen könnten. Züge in
solche oft entmilitarisierte Provinzen fallen unter die "an den Kragen
gehen"-Kategorie und bedeuten in der Regel nicht den Versuch der Mächte, neutrale VZ
zu erobern. Außerdem ist die Ausführung solcher Züge viel stärker von Trends und
"gewohnten Weisheiten" beeinflußt als das Erobern leerer neutraler VZ, das
ausschließlich von rationaler Überlegung gekennzeichnet sein sollte. Die oben
eingeschlossenen Züge einer englischen Flotte in die Nordsee und einer italienischen
Flotte ins Ionische Meer sind eingeschlossen, weil das Züge sind, die stark am
Ziel, weitere "natürliche" VZ zu erreichen, orientiert sind, und folglich eine
bedeutende Änderung in den Tempi, die zum Erreichen der Zentren einer anderen Macht
notwendig sind, bedeuten (was man von Zügen z.B. nach Ruhr oder in die Ukraine nicht
sagen kann). Ausgerüstet mit diesen Annahmen werden wir für jede der Mächte einen
"schnellsten Weg zum Sieg" nach Paul Windsors Beispiel konstruieren, wobei wir
alle anderen möglichen Züge ignorieren.
Schnellster Weg zum Sieg | ||||
Macht | 1 Tempo | 2 Tempi | 3 Tempi | 4 Tempi |
Österreich | Bul, Rum, Ven | Smy, Con, Sev, War, Rom, Nap, Mun, Tun | Ank, Mos, Mar, Ber, Kie | |
England | StP, Swe, Hol, Den, Bel (75%) | Bre, Mos (50%), Kie, Mun (12,5%), Mar (12,5%), Par (12,5%) | War (50%), Mos (50%), Ber, Mun (87,5%), Par (87,5%), Mar (87,5%), Spa, Por | |
Frankreich | Hol (25%) | Lon, Bel (75%), Ven, Mun, Kie (25%) | Kie (75%), Hol (75%), Ber, Liv, Edi, Nwy, Den, Rom, Nap, Tun, Tri | |
Deutschland | Bel (75%), Swe | Par, Mar, Bre (25%), Lon, Edi, Nwy, War, Ven, Tri, Vie | Bre (75%), Liv, Spa, StP, Mos, Bud, Ser, Rum, Rom | |
Italien | Tri, Gre (50%) | Mar, Spa (50%), Ser, Gre (50%), Smy (50%), Con (50%), Vie, Bud, Mun | Spa (50%), Por (50%), Bre (50%), Smy (50%), Con (50%), Ank (50%), Bul, Rum, Ber, Kie | |
Rußland | Nwy, Bul (75%), Ser (38%), Bud (38%), Den (70%) | Ber, Mun, Kie, Vie, Ser (62%), Bud (62%), Tri (38%), Gre (38%), Con, Ank, Smy, Bul (25%), Den (30%) | Hol (70%), Edi, Lon (70%), Bel (70%), Tri (62%), Gre (62%), Ven (38%) | |
Türkei | Rum, Ser, Gre | Bud, Sev, Tri | Mos, War, Vie, Nap, Tun, Ven | StP, Rom, Mun, Ber |
Jeder Macht ist ein Spielraum von drei Tempi für die Ausdehnung "zuerkannt"
worden (denn warum sollte Rußland, das ja eigentlich 18 VZ in nur zwei Tempi erreichen
kann, für seine Flexibilität bestraft werden?), der Türkei ein zusätzliches Tempo,
ohne das sie nicht 18 VZ erreichen würde. Die Möglichkeit, daß England Sev einnimmt,
wurde als zu weit hergeholt eingestuft, deshalb ist Sev nicht in die Liste aufgenommen.
Indem wir Windsors System benutzen, den Zentren Werte zuzuweisen (wobei ein Zentrum, das
in einem Tempo erreicht werden kann, einen Wert von 5 erhält, bei 2 Tempi einen Wert von
4 usw.) und Heimat- und natürliche VZ gleich zu gewichten (eine Macht, die 18 VZ
erreichen will, macht da keinen Unterschied, also werden wir auch keinen machen),
berechnen wir die Furcht-Faktoren:
Macht | Furcht-Faktor von... | Eigene Furcht | ||||||
Österreich | England | Frankreich | Deutschl. | Italien | Rußland | Türkei | ||
Österreich | - | 0 | 3 | 14 | 21,5 | 19,5 | 21 | 79 |
England | 0 | - | 13,8 | 15,9 | 0 | 10,6 | 0 | 40,3 |
Frankreich | 3 | 17,2 | - | 15,2 | 10,5 | 0,5 | 0 | 46,4 |
Deutschl. | 10 | 21,1 | 17,3 | - | 10 | 19,2 | 4 | 78,7 |
Italien | 17 | 0 | 13 | 7 | - | 1,1 | 11 | 49,1 |
Rußland | 14,8 | 13,5 | 0 | 15,8 | 2,3 | - | 15,8 | 62,2 |
Türkei | 16 | 0 | 0 | 0 | 10,5 | 16,8 | - | 43,3 |
Erzeugte Furcht | 60,8 | 51,8 | 47,1 | 67,9 | 54,8 | 67,8 | 51,8 | - |
Netto-Furcht (Erzeugte - Eigene) | -18,8 | +11,5 | +0,7 | -11,1 | +5,7 | +5,5 | +8,5 | - |
Es ist keine Überraschung, daß die Mittelmächte Österreich und Deutschland schlecht
abschneiden. Während es bei der eigenen Furcht ein knappes Rennen ist, verursacht
Deutschland mehr (eigentlich sogar am meisten) Furcht und steht bei der Netto-Furcht
besser da, aber beide Mächte liegen in dieser Beziehung weit hinter den übrigen, was
ihre schwierige strategische Situation zum Ausdruck bringt. Während sich die Furcht
voreinander in Grenzen hält, wird sie nichtsdestotrotz klar von der Furcht vor anderen
Nachbarn übertroffen. Die Einbeziehung anderer VZ zeigt, daß England von Deutschland am
meisten gefürchtet wird, und Österreichs Furcht vor der Türkei ist jetzt genauso groß
wie seine Furcht vor Italien.
Die englische und die türkische Hexe haben offensichtlich nicht denselben Appetit auf
Zentren wie die Mittelmächte (und Rußland), aber weil sie nur halb so stark gefürchtet
werden, kommen sie bei der Netto-Furcht als klare Gewinner heraus. Das ist keine
Überraschung, wenn man an ihre überlegene strategische Position denkt. Der Kampf um die
Balkan-VZ bringt die türkische Furcht vor Österreich ans Licht, während die
Auseinandersetzungen in Skandinavien Englands Furcht vor Rußland verstärken.
Rußland hat eine genauso große Zerstörungskraft wie Deutschland, aber zusammen mit der
furchtsenkenden großen geographischen Ausdehnung kommt eine bemerkenswerte positive
Netto-Furcht heraus. Deutschland und die Türkei werden etwas stärker gefürchtet als
Österreich, aber England liegt nicht weit dahinter. Haben wir nicht oft gesehen, daß der
Zerfall des russischen Reichs im Norden beginnt?
Die Zahlen für Frankreich mögen überraschend aussehen. Frankreich schafft es kaum, eine
positive Netto-Furcht zu erreichen, ist die von ihm verursachte Furcht die geringste von
allen. Das erklärt sich teilweise aus der Tatsache, daß, während die meisten anderen
Mächte durch die Eroberung ihrer neutralen VZ den Abstand zu ihren Nachbarn (und deren
natürlichen VZ) verringern, Frankreich dies bei der Besetzung der iberischen Halbinsel
nicht tut. Also erhöhen die anderen Mächte die von ihnen verursachte Furcht stärker als
Frankreich das tut. Ihre eigene Furcht vor den Nachbarn steigt damit ebenfalls, während
Frankreich diese eigene Furcht niedrig hält, beinahe auf dem Level der Hexen. Vielleicht
ist die niedrige selbst ausgeübte Furcht einer der Schlüssel zum französischen Erfolg,
weil die anderen Mächte sich bevorzugt auf Nachbarn konzentrieren, die bedrohlicher
erscheinen? Schließlich scheint keine dieser Mächte Frankreich als ihre größte
Bedrohung zu sehen.
Italien profitiert stark von der Einbeziehung der neutralen VZ, die ihm neben den einfach
zu erreichenden österreichische Zentren eine Menge weiterer Ziele verschafft. Zusammen
mit der geringen Anzahl von Angriffen anderer Mächte auf Italien ergibt das eine schöne
Netto-Furcht. Ist dieses Anzeichen für italienische Stärke nur eine Illusion? Italien
ist immer ein spezieller Fall, aber Italien 1901 ist wirklich sehr speziell. Mit
Heimat-VZ, die wie eine Burg wirken und sehr selten angegriffen werden, läßt es meistens
A Ven zur Verteidigung zurück und sucht sich die Aufgabe aus, die ihm gefällt. Durch
seine zentrale Lage hat es eine große Reichweite, von der Türkei nach Portugal und weit
nach Deutschland hinein. Daß manche dieser Provinzen sehr schwer zu erobern sind, wird in
diesen Zahlen nicht ausreichend berücksichtigt, genauso wenig wie die strategischen
Probleme, die Italien bekommen wird, wenn es versucht, sich die am einfachsten
erreichbaren Zentren zu schnappen. Eine ausführlichere Diskussion Italiens findet sich in
"Die Geographie ist das Schicksal" (deutsch).
EIN BLICK AUF DIE BEZIEHUNGEN
Nur, wie gut lassen sich die Ziele der unterschiedlichen Mächte vereinbaren? Laßt uns
die Informationen aus der Tabelle des schnellsten Weges zum Sieg nutzen und versuchen, es
herauszufinden. Wenn eine Macht eine große Zahl der Zentren, die auch bei einer anderen
Macht aufgelistet sind, benötigt, wird die prozentuale Vereinbarkeitsrate niedrig sein
(die Prozentzahlen aus dem "kürzesten Weg zum Sieg" sind nicht
berücksichtigt).
Macht | gegenseitige Furcht-Faktoren addiert/Furcht zueinander/Vereinbarkeit | ||||||
Österreich | England | Frankreich | Deutschl. | Italien | Rußland | Türkei | |
Österreich | - | 0 (0) 71% |
6 (0) 57% |
24 (-4) 43% |
38,5 (-4,5) 14% |
34,4 (-4,7) 19% |
37 (-5) 10% |
England | 0 (0) 68% |
- | 31 (+3,4) 21% |
37 (+5,2) 5% |
0 (0) 68% |
24,1 (+2,9) 32% |
0 (0) 74% |
Frankreich | 6 (0) 55% |
31 (-3,4) 30% |
- | 32,5 (+1,9) 15% |
23,5 (+2,5) 40% |
0,5 (-0,5) 45% |
0 (0) 65% |
Deutschl. | 24 (+4) 50% |
37 (-5,2) 25% |
32,5 (-1,9) 29% |
- | 17 (-3) 50% |
35 (-4,4) 25% |
4 (-4) 54% |
Italien | 38,5 (+4,5) 14% |
0 (0) 71% |
23,5 (-2,5) 43% |
17 (+3) 43% |
- | 3,4 (-1,2) 33% |
21,5 (+0,5) 24% |
Rußland | 34,3 (+4,7) 32% |
24,1 (-2,9) 48% |
0,5 (+0,5) 56% |
35 (+4,4) 28% |
3,4 (+1,2) 44% |
- | 32,6 (+1) 32% |
Türkei | 37 (+5) 5% |
0 (0) 75% |
0 (0) 65% |
4 (+4) 57% |
21,5 (-0,5) 20% |
32,6 (-1) 15% |
- |
ÖSTERREICH steht nicht gut da... Es ist nicht nur von Nachbarn umgeben, die alle ein
strategisches Interesse an seinen VZ haben, sondern hat mit den meisten dieser Nachbarn
auch noch eine niedrige Vereinbarkeitsrate. Die Freundschaft mit Deutschland zu
akzeptieren, scheint eine gute Wahl zu sein, da die beiden gut vereinbar sind und da
diese Freundschaft einen Teil des Drucks auf Österreich abschneiden wird. Rußland
scheint von den drei Balkanmächten der beste potentielle Kumpel zu sein. Die Türkei
scheint eine hoffnungslose Wahl zu sein, diese Beziehung ist in Wirklichkeit die
unsicherste, die im Diplomacy möglich ist, mit einer Vereinbarkeitsrate von insgesamt nur
15 Prozent. Friede mit Italien ist ein Muß, aber die Beziehung wird wahrscheinlich nicht
lange halten, da sie die zweitunsicherste auf dem Spielbrett ist, mit einer
Vereinbarkeitsrate von zusammen 28 Prozent.
ENGLAND hat eine angenehme Auswahl. Es kann eine kurzfristige Zusammenarbeit mit
Deutschland akzeptieren, weil es weiß, daß diese Beziehung strategisch schrecklich
einseitig ist (wie bei Türkei/Österreich) und daß der Weg zum Ruhm durch Deutschlands
Inneres führt. Oder es kann sich mit Frankreich, mit dem es besser vereinbar ist,
zusammentun, wobei es immer noch einen strategischen Vorteil hat. Es scheint eine gute
Idee, Italien zum Angriff auf einen der beiden zu bewegen, da es unwahrscheinlich ist,
daß Italien England im Weg steht. Es kann nicht empfohlen werden, die Bedrohug durch
Deutschland und Frankreich am Beginn des Spiels zu ignorieren und Rußland anzugreifen,
ohne diese Aktion diplomatisch gut abzusichern und einen Konflikt zwischen Deutschland und
Frankreich zu erreichen.
FRANKREICH sieht England als am besten vereinbaren Verbündeten unter den Westmächten an,
könnte aber die strategisch ungünstigere Beziehung zu Deutschland vorziehen, obwohl
Deutschland wahrscheinlich am meisten von der Partnerschaft mit Frankreich profitieren
wird, wenn Frankreich nicht einige Zugeständnisse verlangt (da es für Deutschland bei 29
Prozent, für Frankreich aber nur bei 15 Prozent steht). Frankreich scheint sich wenig
Sorgen über Italien machen zu müssen, solange es sich von den französischen Zentren
fernhält, da Italien mit Frankreich fast so gut vereinbar ist wie Rußland.
DEUTSCHLAND hat dank seiner zentralen Lage Zugang zu Zentren, die außerhalb der
englischen Reichweite liegen, und hat daher eine optimistischere Meinung über die
Vereinbarkeit dieser Beziehung (zusammen mit einem guten Verhältnis zu Rußland), obwohl
es sie als strategisch ungünstiger erkennt. Aus deutscher Sicht ist Frankreich der mit
Abstand beste Partner unter den Mächten im Westen und Norden, da dieses Bündnis
strategisch ausgeglichener und etwas besser vereinbar ist. Im Vergleich zu Österreich
haben sogar die Mächte, die für Deutschland als am schlechtesten vereinbar eingestuft
werden, eine höhere Vereinbarkeit als für Österreich alle Nachbarn auf dem Balkan.
ITALIEN sollte wenig Zweifel über seinen Traumpartner haben: England. Im Ostdreieck ist
Rußland wohl am besten vereinbar, aber die 33 Prozent deuten an, daß Italien ab einem
gewissen Punkt wohl "freundlichem" Wettbewerb begegnen könnte. Österreich ist
von Anfang an dazu verdammt, auf dem italienischen Menü zu stehen, aber ob es
Frühstück, Mittagessen oder Abendessen sein wird, hängt wohl von der strategischen
Gesamtlage ab. Italiens strategischer Vorteil wird schnell verspielt sein, wenn es auf
weite Angriffszüge geht und dabei ein starkes Österreich zurückläßt. Während es
wahrscheinlicher scheint, daß die Türkei Italien angreift, scheint ein Angriff des
Franzosen höhere Erfolgschancen zu haben, da er eine vorteilhafte Position gegenüber
Italien hat.
RUSSLAND scheint einen Vorteil gegenüber Deutschland zu genießen, der Macht, die sowohl
am meisten gefürchtet als auch für am wenigsten vereinbar gehalten wird. Österreich und
die Türkei sind beide gleich vereinbar, wobei Österreich am einfachsten niederzuringen
ist. Wenn man an die traditionelle Einseitigkeit eines russisch-türkischen Juggernaut
denkt (die auch durch die Vereinbarkeitsraten ausgedrückt wird: für Rußland 32 Prozent,
für die Türkei 15 Prozent), ist es überraschend, daß die Zahlen ein Bündnis mit
Österreich als besten Weg für Rußland andeuten. Im Norden scheint ein Krieg mit England
eher von Nachteil zu sein; es ist in Wirklichkeit besser vereinbar (und weit weniger
gefährlich) als Itailen, der aber ein guter Komplize auf dem Balkan ist. Von Natur aus
ist Frankreich der Partner mit der höchsten Vereinbarkeit.
TÜRKEI Die türkische Meinung über Österreich spiegelt genau die englische Meinung
über Deutschland wieder - eine Macht, die überrannt werden muß, aber ein guter Partner
für die ersten Züge, weil es strategisch unterlegen ist. Mit Rußland ist die
Zusammenarbeit einfacher, aber es scheint schwierig, einen Konflikt zu vermeiden, und
Rußland wird stärker davon profitieren. Italien wird ab einem gewissen Punkt in die
Überlegungen einbezogen werden müssen, aber ein Nebeneinander scheint möglich zu sein,
da beide die Beziehung als ungefähr gleichberechtigt sehen.
Wenn man diese Beziehungen betrachtet, fällt einem eine Gemeinsamkeit von Frankreich und
Rußland auf, die ein weiterer Schlüssel zum Verständnis des Erfolgs dieser beiden
Mächte sein könnte: für ihre Nachbarn ist es schwierig, zusammenzuarbeiten. Im
Nordwesten grenzen beide Mächte an England und Deutschland. Im Südwesten hat Frankeich
in Italien einen Nachbarn, der zuerst einmal mit Österreich zu tun hat, während Rußland
im Südosten Österreich und der Türkei gegenüber steht. Eine weitere Besonderheit, die
Österreich nützt, ist, daß alle seine Nachbarn einen Grund haben, es am Leben zu lassen
(zumindest für eine Weile) - Rußland und die Türkei, weil Österreich für sie der
beste Bündnispartner zu sein scheint, und Italien wegen der Türkei (und zu einem
gewissen Teil auch wegen Rußland).
UMSTRITTENE "WAHRHEITEN"
Am Ende des Artikels "Die Geographie ist das Schicksal" (deutsch)
greift Windsor einige gewohnte Weisheiten an, die hier diskutiert werden:
- "Österreich/Türkei ist ein schlechtes Bündnis (es wäre aber für beide Mächte
besser als ein Bündnis mit Rußland)": Da es das am wenigsten vereinbare (und das
einseitigste) aller Bündnisse ist, kann man es kaum "gut" nennen, zumindest
nicht für Österreich, das bei einem Bündnis mit Rußland besser dran wäre.
- "Rußland/Türkei ist ein gutes Bündnis (es ist sicherlich gut für Rußland, aber
warum sollte die Türkei bereitstehen, um dem überlegenen Wachstumspotential seines
Nachbarn auf die Sprünge zu helfen, wenn es für sie selbst die größte Bedrohung
darstellt?)": Österreich scheint für die Türkei eine genauso große Bedrohung zu
sein wie Rußland, aber sogar wenn die Zusammenarbeit mit Rußland einfacher ist, könnte
die beste Möglichkeit für die Türkei eine kurzfristige Zusammenarbeit mit dem
strategisch unterlegenen Österreich sein. Und könnte es sein, daß Rußland/Österreich
für Rußland eine noch bessere Wahl ist als Rußland/Türkei?
- "Deutschland sollte ein Bündnis mit Frankreich bevorzugen (wo doch ein Bündnis
mit England eine bessere Wirkung gegen zwei Mächte, die Deutschland mehr fürchtet als
England, haben sollte)": England scheint die Macht zu sein, die Deutschland am
meisten fürchtet, und das Bündnis mit England ist strategisch schrecklich für
Deutschland. Frankreich scheint eine viel bessere Wahl zu sein. Jedenfalls sind die
zusammengenommenen Furcht-Faktoren von Rußland und Frankreich wirklich mäßig,
deuten aber an, daß Deutschland sehr vorsichtig sein sollte, mit Frankreich ins Bett zu
steigen, wenn Rußland stark wird. Daneben gibt es die Möglichkeit, daß Deutschland in
einem Bündnis mit England seine Unterlegenheit durch stärkeres Wachstum ausgleichen
könnte. Das beste Klima für einen Angriff auf Frankreich wäre eine Zusammenarbeit mit
Italien und einem England, das im Norden mit Rußland beschäftigt ist.
- "Deutschland und Österreich sind natürliche Verbündete (wo doch beide ein
natürliches Interesse an den Heimatzentren des anderen haben)": das haben sie
sicherlich, aber sie sind zwei gut vereinbare Mächte, und die Furcht, die sie von
ihren jeweiligen anderen Nachbarn hegen, liegt weit über der, die sie voreinander
empfinden. Das deutet an, daß sie ihre Energien besser anderswo einsetzen sollten,
zumindest in der ersten Phase des Spiels.
- "Deutschland und Rußland sind natürliche Feinde (die Geographie zeigt, daß
Österreich-Deutschland-Rußland ein weiterer Dreiecks-Wettbewerb im Spiel ist, also warum
sollten zwei Mitglieder dieses Dreiecks automatisch die Idee, sich gegen die Interessen
des dritten - und anderer - zusammenzuschließen, abweisen?)": wenn man Furcht und
Vereinbarkeit berücksichtigt, scheint Rußland für Deutschland aber ein besserer Partner
zu sein als England, aber Deutschland würde in dieser Verbindung nicht schneller wachsen
und scheint strategisch immer noch schlechter wegzukommen. Gleichzeitig wird Deutschland
von Rußland als gefürchtetste und am wenigsten vereinbare Macht gesehen. Die
beiden könnten es im Norden mit England aufnehmen, aber ich denke, daß Deutschland damit
vorsichtig sein sollte, solange Frankreich nicht unter italienischem Druck steht (oder
auch wenn es mit England gegen Deutschland verbündet ist). Denkt man daran, wie Deutschland
zu England steht, sollte ein Bounce gegen Rußland in Schweden auf keinen Fall
selbstverständlich sein. Deutschland sollte wenig Interesse daran haben, sich an einem
Angriff auf Österreich zu beteiligen, und auch wenn Österreich gerne mit Rußland
zusammenarbeiten würde, sollte ein Angriff auf Deutschland keine hohe Priorität haben.
- "Deutschland ist eine Westmacht und sollte sich hauptsächlich auf den Westen
konzentrieren (wo doch insgesamt sein Furcht-Faktor unter den Ostmächten größer ist als
der unter den Westmächten)": wenn man die neutralen VZ einrechnet, scheint
Deutschland fest auf den Westen konzentriert, oder eher auf den Nordwesten, da seine
beiden größten Sorgen England und Rußland zu sein scheinen.
Wenn man voraussetzt, daß seine natürlichen VZ zu besetzen rational ist, nicht eine
weitere gewohnte Weisheit, scheint es, daß viele dieser Ergebnisse Letzteres
unterstützen.