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Die Triest-Variante
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oder: Wie Österreich und Italien das effektivste Bündnis bilden können

von Sascha Buhr (saschabuhr@gmx.de)
 

Österreich und Italien sind in der Mehrzahl der Partien miteinander verfeindet und gelten zudem als schwierig zu spielende Länder.

Diese beiden Aussagen stehen in einem ursächlichen Zusammenhang zueinander! Bilden Italien und Österreich nämlich ein Bündnis, wird es für beide Seiten sehr viel wahrscheinlicher, daß sie erfolgreich abschneiden. Und zwar trotz der Probleme, die ihre Position bewirkt:

Österreich hat naturgemäß zu Anfang des Spieles die Sorge, nicht schon in den ersten Jahren von seinen Nachbarn vom Brett gefegt zu werden. Übersteht es diese gefährdete Phase, kann es seine Position häufig festigen und hat danach gute Chancen, das Ende der Partie sehr erfolgreich zu erleben. Einem gemeinsamen Angriff seiner Nachbarn in der Frühphase und von allen Seiten hat es allerdings kaum etwas entgegenzusetzen. Wenn sich Italien gegen Österreich entscheidet, hat der Österreicher enorme Probleme. Hat er allerdings die Ruhe, um nur gegen Osten zu ziehen, kann er es praktisch mit Rußland und der Türkei gleichzeitig aufnehmen, bzw. sie zumindest für eine Weile effektiv stoppen.

Italiens Problem zu Beginn des Spiels ist dagegen nicht die akute Bedrohung seiner Existenz, sondern die Schwierigkeit, sich erfolgreich auszubreiten. Es ist in der Frühphase tatsächlich nur wenig gefährdet:

  • Ein halbwegs vernünftiger Deutschland-Spieler wird erkennen, daß er keine Ressourcen frei hat, um nach Tirol zu ziehen.

  • Frankreich wird gegen England oder Deutschland ziehen, oder, was häufiger vorkommt, sich erst einmal um die iberische Halbinsel kümmern.

  • Österreich hat, wie bereits angesprochen, genug zu tun, so daß ein Angriff auf Italien keine sehr erfolgsversprechende Option darstellt.
  • Die anderen Länder sind, zumindest im ersten Jahr, kein ernstzunehmendes Thema für Italien.

    Dies gibt Italien die Möglichkeit, sich seinen Gegner auszusuchen. Es ist überraschenderweise Italiens größtes Problem. Denn der durchschnittliche Italien-Spieler entscheidet sich praktisch immer falsch: Er zieht überflüssigerweise nach Tirol, um von dort Wien oder Triest anzugreifen oder, was noch unsinniger ist, Frankreich nach München zu supporten oder sogar selbst hinein zu ziehen. (München ist niemals aus eigenen Kräften zu halten! Außerdem besteht die Gefahr, daß man sich schnell verzettelt, wenn man sich überall mit unzulänglichen Kräften engagiert.)

    Hauptgrund für den Zug nach Tirol ist jedoch oft der hungrige Blick auf den Balkan, wo viele VZs konzentriert sind, die man natürlich gerne hätte. Also schließt Italien in der Regel mit Frankreich Frieden und geht dann nach Osten. Italien hofft dadurch, einige der VZs zu erlangen, die beim Tod Österreichs abfallen werden. Klappt dies, hat Italien es dann mit einem starken Russen und/oder einem starken Türken zu tun, denn einer oder beide hat/haben die übrigen VZs des Balkans erhalten. Nun erwartet Italien ein gefährlicher Kampf, denn die betroffene "Ostmacht" kann nur nach Westen gehen! Wohin auch sonst? Frieden ist denkbar unwahrscheinlich. Wenn sich nun auch noch Frankreich gegen den Italiener wendet, dann war es das für ihn. Aber sogar bei einem treuen Franzosen wird Italien große Probleme haben. Schade eigentlich.

    Wenn meine Einschätzung der Situation stimmt, müssten Österreich und Italien also fast schon standardmäßig miteinander verbündet sein. Tja, offensichtlich ist das allerdings nicht der Fall. Sind also alle blind? Nein, für diese Skepsis bezüglich eines I/Ö-Bündnisses gibt es einen sehr guten Grund: Das Bündnis ist zu selten erfolgreich. Warum ist das so?

    Weil ein gemeinsamer Angriff auf die Türkei (Lepanto) zu selten gewinnbringend ist und ein italienischer Solo-Angriff auf Frankreich oft daran scheitert, daß Italien nicht stark genug ist. Die beiden Länder scheinen einfach kein ausreichend effektives Offensivpotential zu besitzen. Zwar kann sich Österreich im Falle eines I/Ö-Bündnisses gegen R/T halten, aber da Italien wohl keine Punkte im Westen sammelt, werden die beiden langsam aber sicher eingedrückt.

    Was könnte man dagegen tun? Eigentlich sehr einfach: Italien eine weitere Flotte geben, so daß es Frankreich mit drei Flotten und einer Armee angreifen kann, was dann absolut ausreichend wäre.

    Das Ö/I-Bündnis wäre dann brandgefährlich:

  • Österreich wird Rußland und die Türkei (zumindest für eine Zeit) aufhalten können.

  • Italien zieht währenddessen gegen Frankreich (das ist keine Bedingung, aber, seien wir ehrlich, England oder Deutschland werden es ebenfalls tun) und gewinnt VZs dazu. (Der Angriff wird nur dann scheitern, wenn F, D und E miteinander verbündet sind. Ich habe aber noch nie gesehen, daß das lange funktioniert hätte.)

  • Mit neuen Einheiten (Flotten) wird Italien nach Osten ziehen, um Österreichs Position von der Defensive in die Offensive zu führen. Danach können sich die beiden Länder nach Westen/Norden (Italien) und Osten/Norden (Österreich) ausbreiten, ohne sich zukünftig in die Quere zu kommen.

  • Zudem hätten sie Schwierigkeiten, sich erfolgreich in den Rücken zu fallen, da die Masse ihrer Einheiten jeweils auf der vom Verbündeten abgewandten Seite steht. Und Schwierigkeiten dieser Art sind ein erstaunlich gutes Fundament für ein erfolgreiches Bündnis!
  • Die Frage, woher Italien diese entscheidende zusätzliche Flotte bekommen soll, wird bereits durch die Überschrift beantwortet: Triest.

    Die Armee, die Triest im Herbst besetzen wird, muß (!) dann im Folgejahr nach Tirol gehen, um die österreichisch-italienischen Gebiete an der Adria zu schützen. (In dieser Situation und zu diesem Zeitpunkt ist der Zug nach Tirol endlich nicht mehr uninspiriert, da dies ein neuralgischer Punkt des Ö/I-Bündnisses sein wird.) Sobald Italien französische VZs erobert hat, kann Österreich (wenn es dazu frei verfügbare österreichische Einheiten gibt) Triest wieder besetzen, denn es ist selbstverständlich nur eine Leihgabe! Und wird wieder von Italien zurückgegeben! Man muß aber sehen, daß der Zeitpunkt klug gewählt wird.

    Auf die Frage, wie Österreich denn mit nur vier Einheiten (Serbien und Griechenland werden sicher besetzt) R/T aufhalten kann: Es wird womöglich zeitlich etwas knapp, aber es funktioniert. Schon bald kommen schließlich italienische Flotten zur Unterstützung. Man darf dabei auch nicht vergessen, daß Rußland in vielen Spielen Rumänien mit der Flotte einnimmt statt mit einer Armee. Und die Flotte hat natürlich überhaupt keinen Einfluss auf die österreichischen Landgebiete.

    Bevor ich zu den Zügen im einzelnen komme, noch ein Wort zum durchschnittlichen, kurzsichtigen Italien-Spieler. Wenn Italien seinem Verbündeten Österreich daraufhin die Unterstützung versagt oder es sogar angreift (was Anfänger jetzt ganz sicher tun würden), hat es einen entscheidenden strategischen Vorteil verspielt: Einen freien Rücken! Italien wird nach Frankreichs Abgang eine gemeinsame Grenze zu einem starken England und/oder Deutschland haben. Schwierig genug. Und ohne Österreich muß es sich dann auch noch mit Rußland und/oder der Türkei rumplagen. Und das ist zuviel. Auch das wortbrüchige und deshalb etwas stärkere Italien ist nämlich an VZs definitiv schwächer als es noch das verratene I/Ö-Bündnis war! Und R/T ist dann in jedem Fall noch stärker als vorher (und zwar verstärkt durch die eroberten österreichischen VZs). Gefahren solcher Art werden von Anfängern regelmäßig ignoriert, wenn sie die Chance haben, ein oder zwei VZs zu erobern.

    Die Züge bis 1902:

    Frühjahr 1901

    I:
    A Ven-Pie (das kann F bouncen, ist aber unwahrscheinlich und auch nicht tragisch, wenn es passiert)
    A Rom-Ven (s.o.)
    F Nap-Ion

    Ö:
    A Vie-Gal (klappt wohl nicht, wenn doch, ist es fast schon zu einfach)
    A Bud-Ser
    F Tri-Alb

    Herbst 1901

    I:
    A Pie-Mar (oder hält), wenn gebounct wurde: Rom-Ven
    A Ven-Tri
    F Ion-Tun

    Ö:
    F Alb-Gre
    A Ser S Alb-Gre
    A Vie-Gal; wenn A überraschenderweise schon jetzt in Gal steht: Viel Spass. War, Rum, Ukr? Support? Tja, je nach Situation.

    Aufbauten:
    I: F Nap, F Rom
    Ö: A Bud

    Frühjahr 1902

    I:
    A Pie-Mar (bzw. bei vorhergehendem Bounce: Ven-Pie)
    A Tri-Tyr (unerläßlich zur Verteidigung des Bündnisses und als deutliches Zeichen für Ö)
    F Tun-Wes
    F Nap-Tyn
    F Rom-Tus

    Ö:
    A Vie-Gal (s.o.)
    A Bud S Vie-Gal
    A Ser/F Gre: Bounce in Aeg oder Angriff auf Bul, je nach Lage.

    Ich erspare mir die weiteren Züge, da die möglichen Varianten jetzt schon zu vielfältig geworden sind. Der italienische Angriff auf Frankreich ist zu diesem Zeitpunkt jedenfalls in vollem Gange und wird erfolgreich verlaufen, nicht zuletzt, weil D oder E auch gegen F ziehen werden. (Wenn einer erfolgreich angreift, lassen die Geier nicht lange auf sich warten. Das ist wohl Futterneid.) Wenn ich die freie Wahl hätte, würde ich Deutschland als Helfer vorziehen. England ist im Endeffekt unangenehmer. Frankreich kann sich nun zur See maximal mit zwei Flotten gegen die drei italienische Flotten wenden, dazu kommt noch die italienische Armee in Pie (die französische Eroberung Belgiens wird in dieser Variante übrigens kaum funktioniert haben, egal, ob F den "Maginot-Zug", den Zug nach Pie oder etwas anderes gewählt hat).

    Bedauerlicherweise hatte ich bisher noch keine Gelegenheit, diese Variante auszuprobieren, da ich zu selten I oder Ö spielen kann. Es ist sehr interessant, daß in den meisten Artikeln, die ich über die Strategie Italiens las, steht, daß man von einem Angriff auf Österreich die Finger lassen soll. Diese Artikel halte ich für äußerst vernünftig, aber anscheinend liest sie niemand! Denn ich sehe in viel zu vielen Spielen bestätigt, was ich bereits über den durchschnittlichen Italien-Spieler sagte: Er ignoriert Argumente, geht im ersten Zug unkreativ nach Tirol und versucht dann, Österreich anzugreifen, ohne nachzudenken, wie es danach weitergehen soll.

    Nebenbei: Bei den angesprochen Zügen ging ich davon aus, daß es nicht gelungen ist, Rußland, Türkei oder Frankreich zu bluffen. Dies ist natürlich sehr pessimistisch. In Wahrheit wird es den beiden sicherlich gelingen, wenigstens eine kleine Weile, die Nachbarn im Unklaren zu lassen. Aber selbst wenn man von Anfang an Krieg gegen alle drei führen muß, stehen die Chancen für Ö und I erstaunlich gut, daß sie sich trotzdem gegen sie durchsetzen (immerhin nur zu zweit gegen drei Gegner! Und dennoch erfolgreich!).

    Wie gesagt, es ist auch diplomatisch noch alles drin, um die Gegner zu verwirren: Der italienische Frühjahrszug ("alpine chicken") ist z.B. nicht zwangsläufig gegen Frankreich gerichtet, sondern kann auch als abwartendes Spiel Italiens ausgelegt werden. Erst mit dem Herbstzug und dem Aufbau der Flotten wird es wohl schwieriger werden, das Bündnis abzustreiten. Zudem haben Rußland und die Türkei häufig Konflikte wegen des Schwarzen Meeres und arbeiten deshalb anfangs womöglich nicht konsequent genug gegen Österreich zusammen.

    Die Chancen stehen also ganz gut, daß diese Variante des Bündnisses erfolgreich verläuft. Sie beinhaltet sowohl für Italien als auch für Österreich sicherlich beträchtlich mehr Vor- als Nachteile. Wenn Italien und Österreich ein Bündnis eingehen, dann sollten sie es mit dieser Variante versuchen.

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