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Überzeugende Unlogik |
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von Paul Windsor (diplawmacy@wideopenwest.com)
ÜBERSETZT VON TIMO MÜLLER
Zu viele Diplomaten sind logischer, als ihnen gut tut. Das ist nicht unbedingt ihr Fehler. Erstaunlich viele Diplomacyspieler kommen aus einem Umfeld, in dem logische Analyse entweder rigoros praktiziert oder stark betont wird.
Viele der Menschen, die das hier lesen, haben im College diese Erfahrung gemacht. All diese Personen haben auf irgendeinem Weg an einem Logik- oder Rhetorikkurs teilgenommen (manche an vielen Kursen) oder haben die Wichtigkeit logischer Analyse und Organisation gelernt, genauso wie die logische Präsentation von Argumenten in schriftlicher oder mündlicher Kommunikation. Viele sind in einem Beruf tätig, der die rigorose Anwendung von Logik erfordert, z.B. als Programmierer, Ingenieure, Mathematiker usw.
Es überrascht nicht, daß die diplomatischen Argumente vieler Diplomacyspieler sich streng an der Logik und/oder festen Schemata orientieren. Von solchen Argumenten nimmt eine Person, die der Logik von Natur aus zugeneigt ist, an, daß sie für eine andere Person am überzeugendsten sein werden.
Schlechte Annahme.
Wollt ihr wissen, warum? Dann macht den Fernseher an und schaut ein wenig Werbung. Versucht, einen, nur einen Spot zu finden, der versucht, auf streng logischer Basis zu überzeugen. Schaut eine politische Diskussionsrunde an. Versucht, einen Politiker zu finden, der drei Sätze hintereinander sagen kann, ohne einen logischen Fehlschluß zu begehen. Ihr werdet natürlich keinen finden.
Aber die Werbespots sind (jedenfalls ziemlich oft) erfolgreich und verkaufen ihr Produkt. Und diejenigen Politiker, die ihre Ideen über eine Kette logischer Fehlschlüsse verkaufen, sind genau diejenigen, die auch die Wahlen gewinnen. Wer lernt, es den Giganten der Werbung und des politischen Erfolges nachzumachen, kann seine Diplomacykünste auf eine höhere Stufe bringen. Wenn wir diplomatische Argumente präsentieren, dürfen wir logische Fehler nicht zurückweisen, sondern wir müssen sie annehmen und nutzen. Fehlschlüsse sind überzeugend. Fehlschlüsse funktionieren. Fehlschlüsse sind gut.
Nun folgt eine Erklärung einiger der verbreitetsten logischen Fehlschlüsse. Normalerweise soll ein solcher Überblick dem Leser helfen, sie zu vermeiden. Ich liste sie auf und erkläre sie, damit sich der Diplomat in euch sie zu eigen macht. Lernt, sie zu konstruieren und ihre krause Unlogik zu nutzen. Man mag es begrüßen oder nicht, doch sie sind seit jeher sehr überzeugend.
Relevanzfehler
Ad hominem.
Dieser Fehlschluß eignet sich definitiv am besten für einen leichten Einstieg in das Thema. Er ist in jedem Fall derjenige, der im Diplomacy am häufigsten angewandt wird. Also kann die Kraft der Fehlschlüsse am besten aufgezeigt werden, indem wir näher auf diesen hier eingehen.
Für den effektiven Einsatz des Ad-hominem-Arguments von herausragender Bedeutung ist die Einsicht, daß es sich dabei nicht nur um Beschimpfen handelt. Beschimpfen ist kein Ad-hominem-Argument, es ist einfach nur kindisch. Um zu funktionieren, muß der Ad-hominem-Angriff auf einen Gegner irgendwie mit der argumentativen Schlußfolgerung verbunden sein - meistens, indem seine Meinung widerlegt wird.
Alle Diplomacyspieler kennen eine bestimmte Anwendung dieses Fehlschlusses: den Promi-Effekt. Dies ist die verdrehte Argumentation, daß wir, wenn wir einen Mitspieler als guten Spieler kennen, nicht auf seine Vorschläge hören sollten. Oder, in einer anderen Variante, den Promi-Effekt innerhalb der Partie, d.h. den Versuch, die Glaubwürdigkeit eines bestimmten Mitspielers für die gesamte Partie zu ruinieren, weil er einmal einen anderen Mitspieler betrogen hat. Die Tatsache, daß die meisten - normalerweise streng rational denkenden - Diplomaten dazu verlockt werden können, diesen (nicht vorhandenen) Zusammenhang zwischen Prämisse und Folgerung nachzuvollziehen, zeigt die Macht eines richtig angewandten Fehlschlusses.
Objektiv betrachtet sollte man im Diplomacy, wie auch im richtigen Leben, die Glaubwürdigkeit des Arguments oder Vorschlags beurteilen, nicht den Gegenüber. Wer am Diplomacybrett seine Interessen wahren will, sollte alle Gegner im Gleichgewicht halten und gleichzeitig die eigenen Interessen (bzw. die eigene Position) zu stärken. Um die Glaubwürdigkeit eines Vorschlags und, falls man auf ihn eingeht, das Verhältnis von Einsatz und Ertrag zu beurteilen, sollte man am besten dieses Prinzip der Wahrung seiner Interessen auf den Vorschlag anwenden, und zwar sowohl aus der eigenen Perspektive als auch aus der des potentiellen Verbündeten. Der engstirnige Widerstand gegen die Vorschläge eines Mispielers, der nur auf der Ablehnung seines früheren Verhaltens beruht (ob innerhalb oder außerhalb dieser Partie), hilft selten dabei, dieses Ziel zu erreichen. Trotzdem hat die Anwendung des Ad-hominem-Fehlschlusses, um einen Promi-Effekt zu erreichen, wieder und wieder dazu geführt, daß Spieler rationale Analyse zurückgestellt und stattdessen zu irrationalen Feindbildern gegriffen haben.
Tatsächlich müssen manche Leute gar nicht erst ermutigt werden, um den Fehlschluß des Promi-Effekts auf ihr Spiel anzuwenden, sondern tun es von selbst. In einem Spiel, das theoretisch auf dem Gleichgewicht der Mächte beruht, muß es als fehlerhaft betrachtet werden, wegen der Ad-hominem-Sicht eines Spielers jede Chance auf nützliche Bündnisse in der Zukunft zu verbauen. Trotzdem gibt es eine bedeutende Zahl von Leuten, die genau solche Überlegungen als ihre wichtigste und beste Strategie betrachten.
Ich habe den Verdacht, daß die meisten Diplomacyspieler schon einmal versucht haben, den Ruf eines Mitspielers als diplomatische Waffe zu benutzen; egal, ob sie es selbst glauben oder es nur als diplomatisches Mittel sehen. Folglich müssen die meisten Leute nicht erst ermutigt werden, es zu ihrem diplomatischen Werkzeugkasten hinzuzufügen, obwohl das Argument offensichtlich ein Fehlschluß ist. Wenn Fehlschlüsse in diesem Fall schon so oft eingesetzt werden, warum sollte man sie nicht auch anderswo nutzen?
Ad populum.
Dies ist der Fehlschluß, der davon ausgeht, daß der populärste Weg immer der beste ist. Das Versprechen sozialer Akzeptanz, das wir in der Werbung so oft sehen, hat große Überzeugungskraft. Es gibt eine Anwendung dieses Fehlschlusses, die beinahe so verbreitet ist wie das Promi-Argument: das Heranziehen von Statistiken über die beliebtesten Eröffnungen.
Doch seine Anwendung braucht nicht darauf beschränkt zu bleiben, einen Gegner zur gewünschten Eröffnung zu überreden. Vielmehr kommt der wichtigste Moment, in dem diese fehlerhafte Argumentation zum Einsatz gebracht werden sollte, nahe dem Spielende, wenn man versucht, einen unentschlossenen Spieler zur Teilnahme an einer Stalemate Line zu überreden. Wer weiß schon, warum dieser Spieler zögert? Vielleicht vertraut er einem nicht. Vielleicht findet er die Partie langweilig. Vielleicht will er mit Bier bestochen werden. Egal, denn man kann sein gefühltes Bedürfnis mit einem allgemeineren Bedürfnis übertrumpfen: dem Wunsch, beliebt zu sein. Versichere ihm, daß er, wenn er deinem Vorschlag zustimmt, der beliebteste Diplomat sein wird, seit das Spiel erfunden wurde. Versichere ihm, daß er, wenn er nicht zustimmt, so bliebt sein wird wie eine Seuche.
Diese Taktik kann in kleineren Gruppen funktionieren. Sobald mehr als zwei Spieler über einen Vorschlag beraten, kann der Beschluß einer Mehrheit mit dem Hinweis auf Beliebtheit verbunden werden. Wer sich nicht anschließt, liegt dann nicht mehr nur falsch, sondern ist sogar unbeliebt.
Wo die Logik versagt, ist das Ansprechen niederer Instinkte oft erfolgreich.
Ad verecundiam.
Der Verweis auf eine Autorität. Es gibt viele Quellen, die dabei herangezogen werden können. Man kann einen Artikel suchen und daraus zitieren. Man kann auf eine Partie verweisen, in der man mit einem bekannten Diplomacyspieler gespielt hat, und sagen "Hey, das hat so-und-so auch gemacht!" Man kann von einer Partie erzählen, die man neulich gespielt hat, und zum Türken sagen "Ich habe als Türke diese Partie gewonnen, indem ich genau diese Eröffnung gespielt habe!" Jede einmal gemachte Erfahrung oder von außen kommende Quelle ist eine "Autorität", die man potentiell bei fast jedem Vorschlag zitieren kann. (Man muß übrigens eine solche Erfahrung nicht unbedingt wirklich gemacht haben, um sie mit Autorität zu erzählen.)
Wenn der Gegner widerspricht, ignoriert man einfach stur die Tatsache, daß es den Zugang zum Spiel nicht gibt. Man besteht darauf, daß es eine korrekte Antwort geben muß und organisiert sich irgendwie einen Beweis. Einer der Vorteile des Ad-verecundiam-Zuganges ist, daß man relativ arrogant sein kann und nie zugeben muß, im Unrecht zu sein. Denn schließlich ist es nicht die eigene Meinung, daß man im Recht ist, sondern das sagt diese unangreifbare Masse von Beweisen. Man selbst ist nur der Überbringer dieser Weisheit, die soviel größer ist als die eigene (und natürlich die des Mitspielers).
Ad ignorantiam.
Der Appell an die Ingoranz. Man argumentiert, daß eine Behauptung richtig sein muß, weil niemand das Gegenteil beweisen kann. Das ist im E-Mail-Diplomacy besonders effektib, weil es dort so etwas wie harte Fakten in der Kommunikation zwischen den Spielern fast nicht gibt. Niemand kann wirklich wissen, wer mit wem spricht und was sie da sagen. Sogar weitergeleitete E-Mails mit wörtlichen Zitaten können als erfunden oder verändert dementiert werden. Niemand kann ausreichend widerlegen, was man sagt, und so ist es möglich, diesen Mangel an Gegenbeweisen als absolute Bestätigung der eigenen Position darzustellen (wie auch immer diese Position aussieht). Auf dieselbe Weise ist es möglich, die schlimmsten Anschuldigungen in die Verhandlungen einzubringen und dann darauf zu bestehen, daß sie wahr sein müssen, weil das Gegenteil nicht bewiesen wurde - bei absichtlicher Nichtbeachtung der Tatsache, daß wirkliche Gegenbeweise unmöglich erbracht werden können.
Dieser Appell an das Unwissen braucht nicht für solche drastischen Fälle reserviert zu bleiben. Er kann zu Beginn jedes Bündnisses vorsichtig ausprobiert werden. Am erfolgreichsten ist er, wenn man in seine diplomatischen oder taktischen Pläne schon früh einen faulen oder abgelenkten Spieler einbinden kann, der vielleicht damit zufrieden ist, sich an die Feldzüge eines anderen Spielers anzuhängen. Oft kann man ziemlich schnell feststellen, ob es sicher ist, einen anderen Spieler dazu aufzufordern, die Schwächen eines Plans zu diskutieren (wenn man weiß, daß es ihn nicht kümmert) oder auch Meinungen über die Veranlagung anderer Spieler auszutauschen. Irgendwie stärken solche Angebote oft das Vertrauen von Mitspielern, und umgekehrt kann man großen Profit aus der Haltung schlagen, daß man recht haben muß, wenn das Gegenteil nicht bewiesen worden ist.
Tu Quo.
"Du machst es doch genauso." Das ist meine Lieblingsantwort auf Beschwerden über einen Stab. "Wenn ich dich nicht zuerst gestabbt hätte, hättest du es getan. So ist das nunmal bei diesem Spiel." Das ist die effektivste Taktik, die ich kenne, um von der Frage abzulenken, warum man jemanden betrogen hat, und lieber darauf überzuleiten, warum derjenige weiterhin mit mir reden sollte - so daß ich ihn noch mehr manipulieren und betrügen kann. Auf diese Taktik, auf eine Beschuldigung mit derselben Beschuldigung zu antworten, gibt es keine Antwort, und sie ermöglicht es, die Aufmerksamkeit von meinem Verhalten abzulenken, indem ich es als eine allgemeine Norm in den Raum stelle, der dann natürlich auch mein Gegner unterworfen ist. Also wirklich, eigentlich hat er sich doch praktisch den Dolch schon selbst in den Rücken gestoßen, als er sich für die Partie angemeldet hat, nicht wahr?
Fehlannahmen
Zufall vs. Widersprüchlichkeit
Das Argument, daß eine Person sich selbst widerspricht, bewiesen an einem Widerspruch, für den diese Person gar nichts kann. Damit verwandt: post hoc, ergo propter hoc - danach, also deswegen. Dies ist ebenfalls ein Fehlschluß, der im E-Mail-Diplomacy besonders gefördert wird.
In einer guten, aktiven und umkämpften E-Mail-Partie wird es zwangsläufig spannende Augenblicke geben, die sogar in den abgehärtetsten Diplomaten Paranoia auslösen. Ein großartiger Satz in einem solchen Moment ist: "Ich glaube nicht an Zufälle." Diese Beobachtung kann in praktisch jeder Situation angewandt werden, in der es einen kleinen Unterschied gibt zwischen den Erwartungen, die man vom Benehmen des Mitspielers hatte, und den tatsächlichen Zügen.
Wurde eine wichtige Unterstützung unerwartet (oder war es gar nicht so unerwartet?) von einem dritten Spieler gekappt? Hat das dazu geführt, daß ein anderer Spieler den Aufbau bekommt, den du eigentlich selbst wolltest? Willst du ein wenig kontrollieren, was wo aufgebaut wird? Informiere deinen Verbündeten, daß du Verdacht geschöpft hast (kümmere dich nicht darum, ob das stimmt). Sag ihm "Ich glaube nicht an Zufälle". Erzähl ihm, daß du hin für diese Widersprüchlichkeit in seinem Verhalten verantwortlich machen wirst, wenn er nicht genauso handelt, wie du willst. (Okay, es war gar nicht sein Verhalten - na und?) Mach ihm klar, daß er diese Flotte in Rom bauen wird, sonst ist er nicht mehr dein Verbündeter.
Viele solche Anwendungen sind denkbar. Der Trick ist, nicht ganz optimale Resultate in das Argument umzuformen, daß dein Verbündeter sich widersprüchlich verhält und dir deshalb einen Beweis oder einen Gefallen schuldet.
Falsches Dilemma.
Die fundamentalste Variante: "Entweder du bist für mich oder gegen mich." Etwas verfeinert: "Entweder du stimmst meinem Vorschlag zu, oder ich muß davon ausgehen, daß du vorhast, mich zu stabben." Ein wenig allgemeiner, England sagt Frankreich: "Frankreich muß sich entscheiden, ob es sich mit England oder Deutschland verbündet. Wenn du nicht sofort den Kaiser angreifst, muß ich davon ausgehen, daß du dich mit ihm verbünden willst, und dementsprechend werde ich dann auch ziehen."
Natürlich wissen wir alle, daß das Leben nicht aus einer Reihe von "Entweder oder"-Situationen besteht, und gerade im Diplomacy muß zwangsläufig eine komplexere Balance entstehen. Aber das müssen wir in unseren Diskussionen nicht unbedingt zugeben. In den Regeln steht nirgends, daß wir immer logisch argumentieren müssen. Es ist oft nützlich, die Möglichkeit und Tauglichkeit von wechselnden Plänen oder Zwischentönen zu verschleiern.
Komplexe Frage.
Zum Beispiel: "Wann hast du eigentlich zum letzten Mal deine Frau geschlagen?" oder "Wenn du so oft online bist, magst du bestimmt Pornos." Die komplexe Frage mischt gewöhnlich irgendeinen anderen Fehlschluß mit der Annahme, die der Frage zugrundeliegt. Sie zwingt den Angesprochenen, all seine Kräfte dafür einzusetzen, die unterschwelligen Vermutungen in der Frage zurückzuweisen. Sie zwingt ihn in die Defensive. Ein verwandter Fehlschluß: der "Rote Hering" - als Antwort auf eine Frage Dinge ansprechen, die in Wirklichkeit diese Frage gar nicht beantworten.
Im Diplomacy gibt es zahlreiche Gelegenheiten, diese Technik anzuwenden. Ein Beispiel: früher oder später wird dich jemand, mit dem du zusammenarbeitest, mit etwas konfrontieren, was jemand anderes ihm über dich erzählt hat. Wenn du so spielst wie ich, also ständig jeden Mitspieler bearbeitest und immer auf der Suche nach einem neuen und besseren Abkommen oder Plan bist, kann es durchaus sein, daß die Beschuldigung der Illoyalität, die gegen dich erhoben wird, wahr ist.
Unter diesen Umständen sind platte Zurückweisungen normalerweise nicht sehr überzeugend. Eigentlich sind alle Versuche, etwas direkt zu widerlegen, nicht überzeugend, vor allem wenn die Gerüchte wahr sind. In solchen Fällen sind Antworten, die auf dem Fehlschluß der komplexen Frage beruhen, oft sehr viel effektiver.
Nehmen wir an, dein Verbündeter konfrontiert dich gerade mit der Anschuldigung (die auch noch stimmt), daß du vertrauliche Informationen an einen dritten Spieler weitergegeben hast, um diesen dritten Spieler zu einem Zug zu überreden, der deinem Verbündeten schaden würde. Einfach zu widersprechen, bringt nichts, da die Tatsachen auf seiner Seite sind. Stattdessen könnte man auf diese Art antworten: "Ich sehe, daß du mit Frankreich gesprochen hast. Frankreich rückt nur Informationen heraus, wenn man ihm auch etwas erzählt. Also, was hast du ihm alles weitererzählt, um ihn zu Verhandlungen zu bewegen? Warum hast du mir die Vorschläge des Franzosen, mich zu stabben, nicht weitergegeben? Was hältst du alles von mir zurück?"
Wenn man möchte, kann man auch noch eine Zurückweisung der ursprünglichen Anschuldigung einbauen, aber meinen Erfahrungen nach ist es effektiver, die Antwort so zu gestalten, daß der Rest des Gesprächs sich nur noch um das Verhalten deines Verbündeten dreht, und nicht mehr um dein eigenes. Dränge ihn in die Defensive und zwinge ihn dazu, sich dir gegenüber zu erklären. Lenke ihn davon ab, daß er eigentlich Antworten von dir will und nicht umgekehrt. Bestenfalls kannst du ihn so bis zum nächsten ZAT benebeln. Nach der Auswertung, egal wie sie läuft, wird sein ursprünglicher Verdacht nicht mehr von Bedeutung sein.
Andere Fehlschlüsse
Die Folgerung als Tatsache darstellen.
Den eigentlichen Verlauf eines logischen Arguments so verändern, daß man von einer allgemeinen Aussage auf den Einzelfall schließt. Beispiel: Fred sagt, daß er gerne Rußland spielt. Rußland ist das beste Land für schnelle Angriffe. Fred muß einen schnellen Angriff planen.
Mit diesem Fehlschluß ist es oft möglich, schwarz für weiß auszugeben und oben für unten. Haben sich Rußland und die Türkei im ersten Zug im Schwarzen Meer blockiert? Versichere allen, daß die beiden einen Juggernaut planen müssen, denn so ein Bounce ist oft geplant, und ein geplanter Bounce dient oft dazu, ein Bündnis zu verschleiern, also muß da etwas zwischen den beiden laufen!
Das klingt für die meisten von uns erschreckend vertraut, nicht wahr? Wie der Promi-Effekt ist auch diese Überbewertung von Folgerungen ein Beispiel für einen oft benutzten, da oft erfolgreichen Fehlschluß im Diplomacy.
Die Vorgeschichte verleugnen.
"Wenn der Kaiser England stabben wollte, hätte er eine Flotte gebaut. Er hat aber eine Armee gebaut. Also wird er England nicht stabben." Der Fehlschluß ist hier, daß man davon ausgeht, es gebe nur einen Weg von A nach B.
Dieser ist einer meiner Lieblinge. Unlogische Argumente, die auf der Mißachtung des vorher Geschehenen beruhen, eignen sich hervorragend dazu, andere in die falsche Richtung zu lenken, was einen effektiven Stab ermöglicht. Im Idealfall kann man mehrere hintereinander verketten, z.B. "Also, wenn ich dich stabben wollte, würde ich Xxx-Yyy ziehen und eine Armee in Zzz bauen, aber ich werde meine Loyalität beweisen, indem ich Xxx-Zzz ziehe und eine Flotte in Aaa baue." Wenn man die Tatsache ignoriert, daß ein Stab auch mit dem Alternativvorschlag möglich ist, wenn auch nicht ganz so gut, dann wird der Mitspieler, dem dieser Vorschlag unterbreitet wird, sie vielleicht auch ignorieren und sich sicher fühlen.
Wenn man einen Mitspieler einmal von solch einer Kette falscher Versicherungen überzeugt hat, indem man die "Wahrheit" durch eine Serie von Wendungen bewiesen hat, kann man ihn oft dazu bringen, seine Wachsamkeit besonders stark einzuschränken - einfach durch die Sicherheit, die man ihm mit Hilfe der "Stärke" dieser schlechten Formel eingeredet hat. So bereitet man einen richtig großen Stab vor. Man bringt ihn dazu, einen falschen Prozeß nachzuvollziehen. Menschen werden der Wiederholung dieses Prozesses trauen, selbst wenn sie einem nicht persönlich vertrauen. Man muß den Prozeß nur dazu benutzen, sie Schritt für Schritt in die Irre zu führen. Es ist aber wichtig zu wissen, daß man einen solchen Prozess nicht in einem Jahr erfinden kann und im nächsten schon davon profitiert. Um sehr gute Ergebnisse zu erzielen, muß man viele (Spiel) Jahre lang investieren.
Mehrdeutigkeit nutzen.
"Kommt darauf an, was du unter einer 'entmilitarisierten Zone' verstehst."
Ich zögere etwas, dies hier aufzunehmen. Wie das "Beispiel" oben zeigt, gibt es viele wirklich schlechte Versuche, Mehrdeutigkeit zu konstruieren - normalerweise nach dem Zug. Eine richtige Mehrdeutigkeit wird vorher durchgedacht und ist subtil genug, um eine realistische Chance darauf zu haben, daß sie unentdeckt bleibt.
Die beste Art von Mehrdeutigkeit ist meinen Erfahrungen nach in langen Mitteilungen enthalten - Verhandlungen, die hin- und hergehen, die Situation bis zum Erbrechen analysieren und versuchen, alle Möglichkeiten durchzudenken und gegeneinander abzuwägen. Je vager die Beschlüsse nach einem solchen langen, scheinbar durchdachten Gelaber sind, desto besser. Wenn dann erstmal die Fakten geschaffen sind, und die Züge den anderen alarmieren und er nachfragt, kann man sich selbst zitieren. Deutlichere Formulierungen, die aus dem Kontext genommen werden, erwecken dann den Eindruck, daß der überraschende Zug, den man gerade gemacht hat, in den vorhergehenden Verhandlungen schon eindeutig angekündigt worden war. Und wenn der Mitspieler aufmerksam genug wäre und mitdenken würde, hätte er das bemerken und sich daran erinnern können.
Unterdrückte Beweise.
Genauer, lückenhafte Wiedergabe der Tatsachen. Eine Halbwahrheit.
Die beste Grundlage für jede Lüge ist die Wahrheit. Wenn man Ernsthaftigkeit einmal vortäuschen kann, hat man es geschafft. Die besten Täuschungen fallen nicht vom Himmel. Sie werden aus Ziegeln der Wahrhaftigkeit und mit Mörtel der Arglosigkeit gebaut.
Die Halbwahrheiten-Methode muß ähnlich ausgeführt werden wie eine gut aufgebaute Mehrdeutigkeit. Man muß eine Menge reden. Man muß sein Konto in der Bank der Ehrlichkeit und des guten Willens anlegen, wenn man später eine Abbuchung machen will. Wenn irgendjemand eine Halbwahrheit glauben soll, muß er zuerst überzeugt sein, daß du der Spielertyp bist, der ständig die ganze Wahrheit sagt. Um das zu erreichen, muß man viel reden und viel arbeiten.
Wenn man dann einmal zu einer anerkannten und glaubwürdigen Quelle korrekter Informationen geworden ist, kann man Schritt für Schritt beginnen, diese Informationen in jede gewünschte Form zu bringen. Wenn du eine vertrauenswürdige Quelle bist, werden sich Unterschiede zwischen deiner Version der Wirklichkeit und derjenigen des Gegenübers zu deinen Gunsten auflösen. Wenn du bemerkt hast, daß andere deine Version der Realität für die Wahrheit nehmen, kannst du anfangen, größere Geschichten zu erzählen. Der Trick ist, immer genug Nachweisbares einzubauen, um das Opfer im Glauben an deine weitere Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit lassen zu können.
Im Gegensatz zu anderen Fehlschlüssen ist dieser hier kein einmaliger Versuch, einen verbalen Angriff zu parieren oder zurückzuweisen. Dies ist eine Strategie, die das ganze Spiel über aktiv verfolgt werden muß. Vielleicht hast du schon einmal über einen anderen Spieler gesagt: "Ich verstehe nicht, wie er es immer schafft, die Leute zu seinen Schoßhündchen zu machen". Wahrscheinlich hat er es mit genau dieser Strategie geschafft.
Folgerung ohne Voraussetzung/Zirkelschluß.
Am besten angewandt in Form von "zusätzlichen" Fakten oder Argumenten, die reine Umschreibungen des ursprünglichen - nicht bewiesenen - Themas sind. Im Diplomacy ist das sehr nützlich, wenn man "nein" sagen will, ohne "nein" zu sagen. Ein guter Weg, hartnäckig zu sein, ohne stur zu sein, ist, stattdessen dümmlich zu sein. Man wird, zumindest für einen Zug (bis das Thema vorbei ist), jemand, der einfach sein Lieblingsargument nicht aufgeben kann. Statt das Argument zu widerlegen, wiederholt man es in etwas veränderter Form. Es ist ein alberner und wenig überzeugender Weg, um eine Diskussion zu gewinnen, aber eine sehr nützliche Taktik, um sie am Leben zu halten, wenn das das Hauptziel ist.
Strohmann.
Die Wiederholung eines Arguments des Gegners in eine schwächeren, leichter widerlegbaren Form. Beispiel: Wenn ein Gegner glaubt, daß ein bestimmter Aufbau ein Zeichen für einen Stab ist, antwortet man: "Jedesmal, wenn ich eine neue Einheit bekomme, meinst du gleich, daß ich dich stabben will! Wir können nicht weiterhin verbündet sein, wenn du mich nie etwas aufbauen läßt!" So verwandelt man seinen Versuch, über die Art des Aufbaus zu diskutieren, in einen angeblichen Widerstand gegen jeden Aufbau, den man bekommt, und widerlegt eher das zweite Argument als das erste. Auch andere Anwendungen sind denkbar.
Prinzipiell ist es ein nützlicher Punkt, daß man bei der Folgerung der Voraussetzung und beim Strohmann, und auch bei vielen dieser Fehlschlüsse, die Diskussion eines Themas auf einen späteren Punkt verschieben kann. Eine Verzögerung führt oft dazu, daß der Punkt überhaupt nicht mehr wichtig ist. Der beste Weg, um bei einer Diskussion nicht den Kürzeren zu ziehen, ist, sie gar nicht erst wirklich beginnen zu lassen. Wenn der Mitspieler darauf besteht und sein Argument in einer logischen, fehlerfreien Form vermittelt, bleibt immer noch die Möglichkeit, das zu tun, was man selbst möchte, und die Verzögerung, die durch dieses Durcheinander entstanden ist, als Ausrede zu benutzen. Man kann dann nach den eigenen Wünschen weitermachen und braucht Illoyalität oder gar mangelnde Ernsthaftigkeit nicht zuzugeben. "Tut mir leid, aber als ich deine dritte Mail bekommen habe, hatte ich meine Züge schon abgegeben und dann war die Gelegenheit vorbei. Ich entschuldige mich für dieses Durcheinander, und gehe davon aus, daß die Tatsache, daß ich das Thema bewußt und mit kalkulierter Unlogik verwässert habe und stattdessen genau das getan habe, was ich sowieso vorhatte, nicht zu sehr ins Gewicht fällt."
Na gut, den letzten Satz sollte man vielleicht weglassen.
Schlußfolgerung
Ich habe viele Beschwerden zu hören bekommen von Leuten, die sagen, daß sie es niemals schaffen werden, eine effektive Lüge zu erzählen. Sie behaupten, die Fähigkeit dazu würde ihnen fehlen. Meine Meinung ist, daß die Anwendung logischer Fehlschlüsse in den diplomatischen Verhandlungen Möglichkeiten aufzeigt, effektiv zu lügen, genauso wie taktische Überlegungen Möglichkeiten aufzeigen, effektiv zu ziehen. Logiker hätten nicht soviel Zeit und Mühe aufgewendet, um diese überzeugenden Schönheiten zu sammeln und zu erklären, wenn sie nicht dafür verantwortlich gewesen wären, zahllose Möchtegern-Denker fehlzuleiten.
Um Caligula zu zitieren (in leicht veränderter Form): Wir müssen uns entschließen, unlogisch zu sein.