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Metagaming-Märchen zerstören
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von Nathan Barnes (nbarnes99@hotmail.com)

ÜBERSETZT VON TIMO MÜLLER
 

Vor nicht allzu langer Zeit brach ein gewaltiger Streit über ein Thema aus, das unter Diplomacy-Turnierspielern schon länger für Unruhe gesorgt hatte, auch wegen dem Wettbewerbsdenken und der Rücksichtslosigkeit, die in Turnieren einen entscheidenden Anteil haben. Während der Aufruhr, der zu diesem Artikel führte, auf den Nordwesten der USA beschränkt war, ist das Thema für alle Turnierspieler bedeutend, vor allem jetzt, da die Turniere immer beliebter und umkämpfter werden. Insbesondere besteht die sehr reale Bedrohung, daß das Thema neue Spieler von der Turnierszene abschreckt und auch den Zufluß von Spielern aus weiter entfernten Ländern hemmt - beides ist von entscheidender Bedeutung für den Erhalt guter Diplomacy-Turniere.

Bei dem Problem handelt es sich natürlich um "Metagaming", das von verschiedenen Leuten unterschiedlich interpretiert wird. In diesem Artikel möchte ich mit einigen der falschen Vorstellungen aufräumen, die sich um "Absprachen vor dem Spiel", "Netzwerke alter Kumpels" oder, wie sie oft genannt werden, "Carebear-Bündnisse" zwischen Spielergruppen gebildet haben. Ich hoffe, daß dieser Artikel allen Lesern das Verständnis dieses Phänomens erleichtern wird, so daß sie Metagaming-Hindernisse in Turnierspielen erkennen, mit ihnen umzugehen wissen und sie schließlich überwinden können. Mit diesem Ziel im Hinterkopf werde ich versuchen, die dunkle Wahrheit hinter dem Konzept des "Metagaming" zu erhellen.

Zuerst einmal, und das ist von zentraler Bedeutung, gibt es völlig unterschiedliche Auffassungen davon, was Diplomacy innerhalb des Hobbys bedeutet. Diese simple Tatsache anzuerkennen ist der erste Schritt auf dem Weg zu erfolgreicher Diplomatie, und gleichzeitig der Ursprung aller Emotionen, die durch "Metagaming" hervorgerufen werden. Ich bin mir der Tatsache bewußt, daß meine Meinungen und Beobachtungen nicht allgemein geteilt werden, doch in dieser Frage sind einige Klarstellungen nötig. Zum Wohle des Hobbys und des Turnierspiels.

Über die Existenz von "Metagaming", seine Ausdrucksformen und seine Definition, hat es schon immer harte Diskussionen gegeben, und das wird auch immer so bleiben. Hier liegt vielleicht der entscheidende Unterschied zwischen weniger erfahrenen Turnierspielern und Spielern wie mir selbst, die schon an vielen solchen Veranstaltungen teilgenommen haben. Ein neuerer Spieler, der möglicherweise ein exzellenter Taktiker ist, mag oft wirkliche Schwierigkeiten haben, zu verstehen, warum manche Spieler nicht erbarmungslos die Schwächen ihrer Bündnisüpartner ausnutzen, warum sie kleinere Mächte jahrelang überleben lassen, bevor sie sie eliminieren, oder warum manche Spieler oft über das ganze Spiel hinweg zusammenarbeiten und dabei, anscheinend ohne Angst vor einem Angriff, ihre Stellungen einander völlig entblößen: ein prototypisches Carebare-Bündnis.

Ich möchte versuchen, zumindest von meinem Standpunkt aus, diese Vorgängnge und ihre Beziehung zum Hobby als Ganzem etwas zu erhellen.

Zuerst einmal sollte hier nochmals wiederholt werden, daß das Spiel "Diplomacy" (Diplomatie) heißt, was zugleich seine Grundlage darstellt. Es heißt nicht "Taktik" oder "Holzklötze verschieben", oder, um wieder näher an die Realität zu kommen, "Risiko". Wir alle kennen schlaue Defitionen des Wortes "Diplomatie", die wir aus Schulbüchern aufgelesen haben, aber wir wissen auch, was es wirklich bedeutet: die Kunst, Verhandlungen durchzuführen und Beziehungen zwischen Menschen zu verändern. Ich denke, der letzte Aspekt ist der wichtigste. Das Spiel dreht sich um zwischenmenschliche Beziehungen. Nicht um Holzklötze, Halte- und Unterstützungsbefehle, gelungene Konvois oder ein hübsches Arrangement der Spielsteine. Menschen stehen bei Dilomacy im Zentrum.

Nachdem wir das klargestellt haben, können wir uns dem "Metagaming" zuwenden, das für mich immer ein verwirrendes Konzept war. Vielleicht ist eine Definition geboten. Meinem Verständnis nach beschreibt der Begriff "Metagaming" die Beziehungen, die sich über (meta) eine einzelne Partie hinaus abspielen. Daher kann ich nicht verstehen (und konnte es noch nie), wie irgendjemand überrascht sein kann, daß es existiert. Außerdem verstehe ich die negativen Assoziationen nicht, mit denen es belastet ist. Und das ist der Punkt, an dem ich mich von vielen anderen Spielern unterscheide.

Bei Diplomacy, genau wie in der wirklichen Diplomatie, geht es darum, den Gegner zu kennen und zu verstehen - ein lebendiges menschliches Wesen, das in den Wirren der Gesellschaft und der menschlichen Natur verstrickt ist. Die Aufgabe des Diplomaten ist es, das Verhalten des Gegners vorherzusagen, zu umgehen und auszutricksen - Anforderungen, die nur erreicht werden können, wenn man seine Motive und Zielsetzungen aufdecken kann.

Nehmen wir ein paar zufällige Beispiele für Verhaltensweisen während eines Spiels. Spieler D stabt jeden Gegner nach spätestens drei Jahren. Spieler E versteht es meisterhaft, zwischen verschiedenen Bündnispartnern zu lavieren, bis er einen klaren Vorteil erreicht hat. Spieler F schätzt ein gut gespieltes Bündnis höher ein als einen Einzelsieg. Spieler I geht lieber zusammen mit dem Gegner, der ihn gerade gestabbt hat, unter, als ihm den Erfolg zuzugestehen. Spieler Ö hat die Begabung, seine Bekanntheit zu seinem VOrteil auszunutzen. Spieler R greift von Anfang an mit aller Macht Spieler D an. Spieler T ist sehr effektiv, wenn es darum geht, seine Gegner unter Druck zu setzen.

Wenn nun diese Spieler, DEFIÖRT, sich an einem Spielbrett treffen, müssen sie diese Verhaltensweisen so bald wie möglich herausfinden, um sie zu ihrem VOrteil ausnutzen zu können. Das ist in einer einzigen Partie nicht immer möglich, und man muß ein Risiko eingehen, das einem entweder den Sieg einträgt oder, als Trostpreis, das Wissen um die Besonderheiten dieses speziellen Spielers. Wenn man diese Dinge einmal gelernt hat, indem man mit diesem Spieler zusammengespielt hat, wird man sich entsprechend verhalten, wenn man das nächste mal mit ihnen spielt. Wenn man dann nicht mehr weiß, daß Spieler F ein gut gespieltes Bündnis gegenüber einem Einzelsieg vorzieht, kann einen das den Draw, den Sieg in der Partie oder gar den ersten Platz im ganzen Turnier kosten.

Ist das Metagaming? Kann irgendjemand behaupten, Diplomacy in einem Vakuum zu spielen? Sicher nicht. Wenn man sich in einer Partie mit einem dieser sieben Spieler findet, hat man bestimmte Erinnerungen und spielt auf eine bestimmte Weise. Man hat in einem früheren Spiel mit einigen oder allen dieser sieben Spieler deren Verhaltensweisen, Vorlieben und Zielsetzungen kennengelernt und richtet sich danach.

Kurz gesagt, die Ereignisse und Erfahrungen außerhalb der Diplomacy-Partie, in der man gerade ist, werden eine Auswirkung darauf haben, wie man diese Partie angeht. Das sollten wir im Hinterkopf behalten und nun diese "Voraus-Bündnisse" näher ansehen, denn ich nehme an, daß sie bei einigen Spielern nicht gut ankommen und in die vage Grauzone des "Betrugs" führen. Zuerst einmal muß ich sagen, daß ich noch nie eine Partie gesehen habe, bei der zwei oder mehr Spieler mit dem fertigen Plan für ein ununterbrochenes Carebear-Bündnis, das über das gesamte Spiel geht, aufgetaucht sind. Nicht, daß das nicht passieren könnte - aber ich konnte es noch nie nachweisen. Es gibt vor und nach Turnieren immer Gerüchte, weil Spieler im Rückblick ein bestimmtes Muster entdecken: manche Spieler waren immer zusammen an einem Draw beteilit, zwei bestimmte Spieler scheinen sich nie angegriffen zu haben usw. Wir alle können Beispiele aus dem Turnierbetrieb nennen, wo solche Überlegungen nachvollziehbar erscheinen. Ich halte aber die meisten dieser Fälle für Mißverständnisse, was die Dynamik zwischen den betroffenen Spielern angeht.

Manche Spieler behaupten sogar, in Elite-Gruppen eingeladen worden zu sein. Vielleicht stimmt das. Vielleicht haben sie aber auch das "Angebot" falsch interpretiert. Ich weiß, daß ich selbst schon oft Dinge gesagt habe wie "Vielleicht können wir zusammenarbeiten", oder "Es wäre toll, wenn wir am selben Brett landen und dort zusammenarbeiten könnten", usw. usf. Ist das eine Intrige? Ist es eine feste Blitzkrieg-Allianz, oder ein Voraus-Bündnis? Meiner Meinung nach nicht. Ehrlich gesagt rede ich immer viel, aber was ich wirklich mache, hängt viel stärker vom Spiel selbst ab: wer spielt, wie die Aufteilung der Länder aussieht und was meine Zielsetzung ist. Viele Spieler reden viel, das gehört zu einem guten Auftritt. Es schadet nie, sobald wie möglich Kontakte zu knüpfen. Dieser Person ist vielleicht nicht in derselben Partie, aber er könnte in derselben Partie sein - vielleicht nicht in diesem Turnier, vielleicht auch nicht im nächsten, aber irgendwann in der Zukunft, und für diese Möglichkeit sorgt man vor. Ein weiser Mann hat einmal auf einem Diplomacyturnier gesagt, die Diplomatie beginnt in dem Moment, in dem man zur Türe hereinkommt und/oder einen anderen Spieler trifft. Wie wahr, wie wahr.

Nehmen wir ein persönliches Beispiel: DragonFlight 2001. Das Turnier lieft nicht gut für mich. In den ersten drei Runden war ich jeweils an einem Vierer-Draw beteiligt, immer mit genau denselben Spielern. Haben wir das von Beginn an geplant? Glaubt jemand ernsthaft, daß diese vier Spieler irgendein Interesse daran hatten, auf drei Vierer-Draws hinzuarbeiten? Ich persönlich fand es eher langweilig, immer wieder mit demselben Resultat abzuschließen, obwohl ich mich nie mit demselben Partner verbündete. Wie viele wissen, stellte ich mich in den letzten beiden Runden gegen den Trend, nicht weil es taktisch besser war, nicht weil es ein besserer Zug war, sondern weil ich keinen weiteren Vierer-Draw mehr ertragen konnte. Das war meine Zielsetzung.

Noch dazu waren schon die ersten Gerüchte über die wiederholten Vierer-Draws mit denselben Spielern unterwegs, was für Verstimmungen und mehr als ein paar Anschuldigungen sorgte. So gesehen kam es mir zugute, daß ich meiner persönlichen Zielsetzung folgte, nicht noch einen weiteren Vierer-Draw zu akzeptieren: ich bekam, was ich wollte, und löste mich gleichzeitig öffentlich von den Metagaming-Anschuldigungen. Wir werden noch auf die Bedeutung einer individuellen Zielsetzung zurückkommen; hier sollen nur zwei Dinge angemerkt werden: 1. Es gab keine Absprachen vor dem Spiel, an denen ich beteiligt war, und ich bin überzeugt, das gilt auch für die anderen, wie in der vierten Runde so deutlich offenbar wurde. 2. Diese Details sind natürlich egal. Es zählt nur die Wahrnehmung der anderen Spieler, daß es ein Voraus-Bündnis gegeben habe. Manchmal muß man Züge befehlen, die einen auf dem Brett nicht voranbringen, aber bestimmte Vorurteile zerstören und so bei anderer Gelegenheit den Weg zum Sieg freimachen.

Warum gibt es also diese Trends? Warum gibt es seitenweise Belege, die zeigen, daß eine relativ kleine Gruppe von Leuten oft zusammenspielt? Ich denke, das kann man recht einfach erklären. Schauen wir uns wieder einige Beispiele an. Jeff Dwornicki und Jerry "JT" Fest tun sich oft zusammen, und sie werden von manchen seit einiger Zeit als die typischen Carebear-Spieler betrachtet. Wenn man aber ein wenig genauer hinschaut, ist es nicht überraschend, daß ihre Partien darauf hinauslaufen. Jeff und Jerry haben in Portland zusammen die PiggyBack Society aufgebaut und eine Menge Partien miteinander gespielt, so daß sie sich zwangsläufig gut verstehen. Sie kennen die Spielzüge des anderen better als die fast aller anderen Spieler, sie wissen, wann der andere lügt, unter welchen Umständen er stabben wird, und wie sein allgemeinen Zielsetzungen aussehen. Kurz gesagt - und das sollte offensichtlich geworden sein - sie haben voneinander gelernt und ihr Spiel entsprechend angepaßt.

Das kann man auf jede beliebige Situation anwenden; es kommt andauernd vor. Bei DragonFlight 2002 haben in der dritten Runde ein paar Spieler den erfahrenen Andy Bartalone vom Brett gefegt, weil sie Freunde waren, sich kannten und gut zusammenspielen konnten. Am Ende gab es einen Zweier-Draw, in dem Deutschland mit einem VZ beteiligt war. Ist das ein Voraus-Bündnis? War diese Allianz schon ausgehandelt, bevor die Auslosung feststand? Ganz so lief es sicher nicht. Aber als sie die Partie begannen, wußten sie ziemlich genau, daß sie zusammenarbeiten konnten und aus dieser Partie ein Ergebnis herausholen konnten, das ihrer Zielsetzung entsprach.

Und hier haben wir nun das Problem. Manche Spieler regen sich sehr darüber auf, daß andere zu Beginn einer Partie manche Spieler besser kennen als andere. Es liegt in der Natur des Menschen, das Unbekannte zu fürchten und das Bekannte als angenehm zu empfinden. Jeder Diplomacy-Spieler muß diese Tendenz, die natürliche Vorliebe der Mitspieler für das Bekannte, überwinden. Die Regeln können das niemals verhindern. Wir haben es mit Menschen zu tun, mit natürlichem Verhalten und Spielern, die ein Leben außerhalb der Partie haben, und es ist nicht möglich, Regeln durchzusetzen, die Menschen ihre Motivationen vorschreiben.

Das ist nicht nur unvermeidlich, sondern sogar einer der spannendsten Aspekte des Spiels. Das Großartige an Diplomacy ist, daß man mit Menschen umgehen muß, von denen man weiß, daß sie zumindest in mancher Hinsicht etwas anderes machen wollen. Es gibt keinen schöneren Sieg, als jemanden davon zu überzeugen, sich vom Bekannten zu verabschieden und sich ins Unbekannte zu wagen. Das ist Diplomacy, und deswegen liebe ich das Spiel.

Ein weiterer Streitpunkt sind die persönlichen Zielsetzungen, auf die ich ständig angespielt habe. Über ihre Vorlieben hinaus haben Diplomacy-Spieler oft eine Agenda, etwas, das sie über eine einzelne Partie hinaus erreichen wollen. Jemand könnte einfach mitspielen, weil er etwas Neues ausprobieren will, von dem er kürzlich gelesen hat; vielleicht möchte er auch mit einem bestimmten Spieler zusammenarbeiten, um zu sehen, wie er sich verhält; vielleicht arbeitet er darauf hin, ein bestimmtes Bündnis zu bilden, weil er sich damit sicherer fühlt. Darüber hinaus hat jeder andere Werte. Manche Spieler finden einen Einzelsieg einfach weniger attraktiv als gute Bündnisarbeit. Manche versuchen lieber etwas Neues und Mutiges, als auf Sicherheit zu spielen und ihre Überlebenschancen zu erhöhen. Manche spielen nur mit, um sich mit anderen Spielern zu unterhalten. Wieder andere interessieren sich überhaupt nicht um Highscores oder Turnierwertungen und treffen ihre Entscheidungen unabhängig von solche Erwägungen. Jeder hat seine eigene Agenda, die man nicht durch Regeln vorschreiben oder verändern kann, und das gehört wiederum zu einem Spiel, das sich um menschliche Wesen dreht.

Nun kann man auf die Regeln zeigen und sagen, "Das Ziel dieses Spiels liegt darin, 18 Versorgungszentren zu erreichen, nicht mehr und nicht weniger. Eine andere Agenda hat darin nichts verloren." Das stimmt, aber ich behaupte, daß Spieler, die hier einen so engen Standpunkt einnehmen, weder Diplomacy noch ihre Mitspieler verstehen. Andere Menschen werden immer eine Agenda haben, die sich oft stark von unserer eigenen unterscheidet. Ein guter Diplomat, in der Welt da draußen genauso wie in einer Diplomacy-Partie, akzeptiert diese Tatsache und versucht, die Agenda des Gegenüber herauszufinden, um sie zu seinem eigenen VOrteil auszunutzen.

Man sollte sich darüber im Klaren sein, daß die Agenda-Dynamik in Turnieren am stärksten ist. Das liegt daran, daß man nicht nur eine einzige Partie spielt, sondern ein komplettes Turnier. Man kann eine Schlacht verlieren, aber trotzdem den Krieg gewinnen, oder umgekehrt. Ich habe einige Glückwünsche für meinen Einzelsieg in der ersten Runde des diesjährigen DragonFlight-Turniers bekommen, aber ich habe dafür mit dem Ausscheiden in der nächsten Runde und dem dritten Platz in der Gesamtwertung bezahlt. Wie ich schon sagte, kümmern sich manche Spieler nicht um die Gesamtwertung und wollen jede Partie als Einzelwettbewerb spielen. Das ist völlig akzeptabel, aber man sollte deshalb nicht auf diejenigen herabschauen, die das Turnier tatsächlich als solches spielen. Nur deshalb haben sie viel Zeit und Aufwand investiert, um teilzunehmen. Hier gilt wieder: Der gute Diplomat fällt kein Urteil über die Herangehensweise des Mitspielers, sondern versucht, möglichst viel über sie zu erfahren, um sie zu seinem Vorteil auszunutzen.

Die bloße Idee, Regeln zu entwerfen, die Spieler ihrer Agenden und Beweggründe berauben, läuft darauf hinaus, Spieler in gesichtslose Klone zu verwandeln, was im Endeffekt die meiste Diplomatie aus dem Spiel verbannt. Dadurch wird klar, daß diejenigen, die solche Regeln befürworten, nicht wirklich verstehen, wie FTF-Diplomacy funktioniert. Es ist verständlich, daß solche Spieler E-Mail-Diplomacy bevorzugen. Es liegt schließlich in der Natur von PbEM, Diplomacy auf gesichtlose Statistiken und Wahrscheinlichkeitsrechnungen zu reduzieren. Dort macht man Züge oder VOrschläge nicht, weil man seinen Gegenüber versteht oder weiß, was seine Agenda ist, sondern weil es statistisch gesehen wahrscheinlich ist, daß eine bestimmte Sache passieren wird. Frankreich eröffnet in 23 Prozent aller Fälle mit einem Zug in den Kanal. Italien erreicht nur vernachlässigbar selten ein Solo. Was bedeuten solche Statistiken für einen PbEM-Spieler, was für einen FTF-Spieler? Es läuft darauf hinaus, daß sie für einen FTF-Spieler ziemlich nutzlos sind, weil er wei, daß z.B. der französische Spieler gerne in den Kanal eröffnet oder daß der Italiener ein phänomenaler Spieler ist und mit diesem Land bei Turnieren schon dutzende Einzelsiege erreicht hat. Für einen PbEM-Spieler dagegen sind diese Statistiken sehr hilfreich, weil Faktoren wie Körpersprache, Intonation und Tonfall in einer E-Mail nicht herüberkommen. Und wie wir alle wissen, und es vielleicht gerade in diesem Artikel noch einmal vor Augen geführt bekommen haben, ist es sehr schwierig, sich über das Internet auszudrücken.

Schlußendlich denke ich, es ist wichtig, sich daran zu erinnern, daß Diplomacy nur ein Spiel ist. Und weil es nur ein Spiel ist, sollte es zwei Dinge erreichen: es sollte eine spaßige, unterhaltsame Erfahrung sein, und es sollte nicht ganz so ernst genommen werden. Gerade in diesem Artikel über Metagaming möchte ich herausstellen, daß Spiele eine Aktivität sind, die man mit Freunden und potentiellen Freunden betreibt. Ehrlich gesagt mag ich die meisten der Leute, mit denen ich Spiele. Ich mag es, sie zu besuchen, mit ihnen wegzugehen, ein paar Bier zu trinken und einfach eine gute Zeit mit ihnen zu haben - mit Leuten, die einige meiner Neigungen teilen. Wir spielen dieses Spiel, weil wir es mögen, aber einer der zusätzlichen Vorteile ist, daß man Leute trifft, mit denen man eine große Leidenschaft teilt. Wenn man die Hingabe hat, bei einem Turnier oder einer Con im kleinen Rahmen aufzutauchen, wo viele Leute sind, die man nicht kennt, wird man viele Menschen kennenlernen, mit denen man etwas anfangen kann, und die auch verstehen, wie man so viel Zeit für etwas opfern (oder verschwenden?) kann. Es ist nur natürlich, daß man sich mit Leuten anfreundet, die ebenfalls zahllose Stunden ihres Lebens mit einem bestimmten Hobby verbringen.

Hier würden mich wahrscheinlich viele exklusiven Denkens beschuldigen und mir Wörter wie "Klüngel" oder "Elitedenken" entgegenschleudern. Aber ich glaube nicht, daß es unbedingt darum geht. Jeder wird die Erfahrung machen, bei seinem ersten Turnier oder seiner ersten Con kaum jemanden zu kennen. Und erfahrene Diplomacy-Spieler haben ein Interesse daran, das Spiel und das Hobby weiterzuverbreiten - ein ganz selbstverständliches interesse, wie ich finde, aber um auf der sicheren Seite zu sein, wollte ich es nur mal deutlich feststellen. Zuerst einmal WOLLEN erfahrene Spieler mit Neulingen spielen, und sei es nur, um neue Strategien auszuprobieren und eingefahrene Rhythmen zu durchbrechen. Darüber hinaus muß man versuchen, die Diplomacy-Szene zu erweitern, wenn man nicht riskieren will, eines Tages niemanden mehr zu haben, mit dem man spielen kann. Weil Spaß und Spannung das Ziel des Spiels sind, arbeiten viele aktiv daran mit, für Diplomacy zu werben. Ich glaube, wir alle kennen diese Leute, und wir sollten ihnen an dieser Stelle danken.

Ich möchte auch klarstellen, daß ich die "vorgefertigen Allianzen" und "Carebear-Bündnisse", von denen wir hören, für erfunden halte. Ich argumentiere nur, daß sie oft falsch verstanden werden und viel seltener vorkommen, als viele behaupten. Wenn man mit Wörtern wie "Betrug", "Carebear" und "Klüngel" um sich wirft, sorgt das für ein zerstritteneres Umfeld, was der Förderung von Diplomacy zuwiderläuft. Die Weigerung einiger Spieler, über ihre eigenen Vorstellungen von gutem Diplomacy hinauszusehen, zusammen mit ihrem zwanghaften Drang, andere Spieler nach ihren eigenen Standards zu messen, schadet viel mehr als sie nützt. Noch dazu verrät sie einen gewissen Mangel an Diplomacy-Verständnis, wie aus den vorhergehenden Abschnitten schmerzhaft deutlich geworden sein dürfte. Die Lösung, einfach mehr Spieler anzuziehen, ist gut, aber sie hat nichts mit dem "Problem" zu tun, denn es wird trotzdem an jedem Brett Spieler geben, die sich schon kennen. Noch dazu impliziert dieser Vorschlag, daß die ständigen Versuche von Leuten wie Buz Eddy, Edi Birsan oder Manus Hand, neue Spieler zu gewinnen, zu nichts führen.

Dieser Artikel stellt meinen persönlichen Zugang zu Diplomacy dar. Andere Spieler haben andere Agenden, Werte und Motivationen. So ist das im Leben, und es führt dazu, daß wir alle auf unserer eigenen kleinen diplomatischen Insel sitzen. Ich habe mich hier weit ausgebreitet, und ich hoffe, daß meine Arbeit ein wenig dazu beigetragen hat, ein Thema, das starke Emotionen hervorruft, ein wenig zu erhellen. Wenn nicht, dann hat sie immerhin dazu geführt, daß ein paar mehr Leute meine Agenda kennen, und ich hoffe, daß sie neue Wege eröffnet, künftig Diplomacy zu spielen.

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